Makiko Hirabayashi

Die Energie der brechenden Welle

Einander überlagernde Rhythmen, im Unbestimmten schwebende Harmonien, eine sanfte humoristische Note – Makiko Hirabayashi, die japanische Pianistin aus Dänemark, schafft mit ihrem hinreißenden Trio immer wieder große Augenblicke voller Magie.

Von Hans-Jürgen Schaal

Foto (c) Karolina Zapolska

Makiko – (c) Karolina Zapolska

Seit 1990 lebt Makiko Hirabayashi in Dänemark. Aufgewachsen ist sie in Tokio und Hongkong, mit 20 Jahren ging sie in die USA, um in Berklee (Boston) zu studieren. Dort lernte sie einen Gitarristen aus Dänemark kennen und folgte ihm in dessen Heimat. „Damals war ich nur neugierig darauf, einen weiteren Teil der Welt kennenzulernen: Europa“, sagt die Pianistin. „Aber dann blieben wir in Dänemark, Jahr um Jahr.“ Was sie an Kopenhagen besonders schätzt, sind die guten Musiker dort, die offene Haltung, die Mischung aus Menschen aus aller Welt. „Kopenhagen besaß definitiv diesen ‚Vibe‘, als ich zum ersten Mal herkam. Ich habe hier einige großartige Freunde gefunden, mit denen ich musizieren kann. Und Dänemark ist ein Sprungbrett ins restliche Europa.“ Interessant findet sie auch den „nordischen“ Ton in der skandinavischen Musik: „Das ist inzwischen ein Teil meiner Identität geworden. Dieser Ton hat etwas mit der Natur und der Geografie zu tun, den langen Wintern und dem wunderschönen Licht – wenn es denn schließlich mal kommt.“

Makiko Hirabayashis Musik gewinnt ihren besonderen Zauber aus einer besonderen Mixtur. Da gibt es die ostasiatische Herkunft der Musikerin, aber auch ihre Ausbildung in westlicher Klassik. Da ist ihre Erfahrung mit amerikanischem Jazz, aber auch die Vertrautheit mit dem nordischen Ton. Das alles bündelt Hirabayashi in einem Klavierspiel, das so feinnervig wie hypnotisierend wirkt. Mal muten ihre Stücke raffiniert exotisch an, mal schwebend meditativ, mal auch funky oder bluesig. Dann wieder kitzelt Makiko das Ohr mit kleinen Atonalitäten oder lustiger Anarchie. Ihr sicheres, sensibles Klavierspiel hält alle diese Nuancen zusammen, gibt ihnen das Flair eines ganz persönlichen Stils. „Meine Kompositionen reflektieren, was ich erlebe“, sagt die Pianistin. „Ich versuche, Klänge für das zu finden, was sich nicht in Worten sagen lässt. Gewöhnlich kommen mir die Ideen, während ich am Klavier improvisiere. Manchmal bleibt eine Idee eine Idee, und manchmal entwickelt sich daraus eine Komposition. Mit der Band zusammen kann sie sich noch weiterentwickeln, es hört eigentlich nie auf, weil wir die Stücke jedes Mal auf andere Weise zu spielen versuchen.“

Ihr neues Album heißt Where the Sea Breaks. Natürlich ist das Meer im Titel ein Symbol für ihre transkontinentale Biografie. „Ich habe immer nahe am Ozean gelebt. Der Ozean umspannt alles“, sagt Makiko Hirabayashi. Doch der Albumtitel hat noch eine spezielle Bedeutung: „Wo die Welle bricht und eine gewaltige Menge Energie frei wird, und du brauchst nur noch darauf zu reiten – da will ich sein, wenn ich Musik mache. Musik muss für mich nicht kompliziert sein, aber sie muss immer lebendig sein.“ Diese magischen Momente sind die Kraftzentren in Hirabayashis Spiel. Die Augenblicke, wenn dich ihr Klavier zu hypnotisieren scheint und nicht mehr loslassen will. In dem Stück „Once Upon the Sea“ passiert das immer wieder – es ist nach einem kurzen „Prologue“ das erste Stück des Albums und sein längstes. Geschrieben hat es die Pianistin im Gedenken an die Opfer von Fukushima. Ein Siebenvierteltakt, ein tranceartiges Schweben, ein bluesiger Unterton, eigenwillige Läufe der rechten Hand, faszinierende Intervalle. „Ich mag asymmetrische Rhythmuspatterns und Rhythmusschichtungen“, sagt Hirabayashi. „Sie geben der Musik Tiefe, aber auch Leichtigkeit, etwas Dahintreibendes.“

Where the Sea Breaks ist schon das vierte Album ihres Trios mit Marilyn Mazur (dr, perc, voc) und Klavs Hovman (b). Seit 2001 spielen die drei in unveränderter Besetzung zusammen – ein flexibler Organismus mit eigener Identität. „Schon beim ersten Mal gab es diese großartige Chemie zwischen uns“, sagt die Bandleaderin. „Über die Jahre ist das Trio noch enger zusammengewachsen. Ich denke, es hat damit zu tun, dass wir aufeinander hören und einander Raum lassen. Und Marilyn und Klavs spielen natürlich schon viel länger zusammen.“

Besonders faszinierend ist, was Marilyn Mazur zum magischen Klangbild dieses Trios beiträgt. Ihre Trommeln scheinen zu tanzen, ihre Rhythmen fließen schwerelos dahin, ihre Percussion-Farben geben der Musik einen schimmernden Glanz. „Marilyn spielt die Trommeln auf sehr organische Weise“, sagt Makiko Hirabayashi, „als ob sie Klänge malen würde. Gleichzeitig hat sie einen subtilen Groove darunter liegen. Das erlaubt mir, starke Melodien auch über die Taktstriche hinwegzuspielen. Und indem Marilyn zudem ihre Stimme einsetzt sowie ethnische Instrumente spielt, zum Beispiel Kalimba, macht sie die Musik für das Publikum zugänglicher.“ Das Stück „Gallop“ hat Hirabayashi ihrer Verbundenheit mit Mazur gewidmet: „Marilyn und ich sind beide im chinesischen Jahr des Pferdes geboren. Pferde inspirieren uns beide. Wir sind überzeugt davon, dass das etwas zu bedeuten hat. Wir haben so viel Gemeinsames.“

Aktuelle CD:

Makiko Hirabayashi Trio: Where the Sea Breaks (yellowbird / Soulfood)