© Steven Haberland

Von Achim Ost.Wie kein Zweiter bringt er den Ernst des Albernen auf den Punkt und den Begriff.“ Man möchte dem Statement des Soziologen Dirk Baecker noch hinzufügen: „ … und den Ton.“ Die Rede ist von Helge Schneider, Multiinstrumentalist, Musik-Clown und passionierter Jazzmusiker. Schon früh war er überzeugt: „Zum Improvisieren braucht man ungleich mehr Intelligenz als zum Notenlesen.“ Schneiders Bekenntnis zur Spontaneität, zum Unfertigen und Vorläufigen kulminiert in seiner „Methode Jazz“, die er nicht nur in seiner Musik verfolgt, sondern seiner ganzen Existenz unterlegt. Damit erweist er sich als idealer Träger des Joachim-Ernst-Berendt-Ehrenpreises der Stadt Baden-Baden. Hatte nicht Deutschlands Jazz-Papst der 50er und 60er Jahre schon in seinem Jazzbuch – 1953 erstmals erschienen – bekräftigt: „Eine Jazzimprovisation ist ganz persönlicher Ausdruck des Improvisierenden und seiner musikalischen, gefühlsmäßigen und geistigen Situation.“ Helge Schneider kann geradezu als die Verkörperung dieses Satzes gelten.

Im Bénazetsaal des Kurhauses Baden-Baden ging jetzt die Preisverleihung im Rahmen der elften Festivalausgabe von Mr. M’s Jazz Club über die Bühne. Schon in den Vorjahren war es dem Initiator der Ehrung, dem Entertainer und Klassik-Pop-Jazz-Vokalisten Marc Marshall, gelungen, mit Musikern wie Till Brönner, Nils Landgren oder Klaus Doldinger verdiente Mitstreiter in seiner Konzertreihe zu versammeln. Neben Schneider waren am ersten Abend der Soul-Jazz-Sänger Jeff Cascaro und der Trompeten-Tausendsassa Nils Wülker mit von der Partie. Doch bevor Mr. M’s All Stars mit ihren Gästen loslegten, stimmte Peter Kemper das Publikum mit einer launigen Laudatio auf Schneiders Improvisationskunst ein. Der ließ sich auch nicht lange bitten und gab gleich den Crooner am Saxofon: Schneiders sensible Lesart der Ballade „My One And Only Love“, 1953 von Frank Sinatra und neun Jahre später als jazzhistorischer Meilenstein von John Coltrane mit dem Sänger Johnny Hartman eingespielt, entpuppte sich als romantischer Flirt mit der Sanglichkeit des Saxofons.

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Schnell entwickelte sich der Abend zu einer großen Jam-Session: Während sich in „It’s Impossible“ Marshalls kraftvoller Bariton an Cascaros rauem Tenor rieb und Nils Wülker mit „Conquering the Useless“ sanftem Rockjazz huldigte, geriet „Sunny“ zu einer überschäumenden Kollektivimprovisation. Schneiders Einstiege in Evergreens aus dem Great American Songbook wirkten ungeprobt, Tonarten wurden per Zuruf mitgeteilt, die Reihenfolge der Soli aus dem Augenblick heraus entschieden. Wer Schneiders Interpretation des Ellington-Klassikers „Mood Indigo“ auf dem Vibrafon hörte, spürte unwillkürlich jenen Charme des Vertrauten, der noch in jeder seiner rhythmischen und tonalen Verfremdungen wohnt. Mit gekonnt ungelenken Bewegungen lieferte er ein Paradebeispiel subtiler Situationskomik.

Wie sehr er sich über die mit dem Preis verbundene, von Markus Lüpertz gestaltete Statue freute, machte Schneider im Gespräch mit der Oberbürgermeisterin überdeutlich: „Ich hab ja schon so’n paar Preise, aber ich glaube, das ist ein toller Preis. Und den werde ich mir auch mal angucken, denn die Preise, die guckt man sich nicht so oft an. Aber den gucke ich mir öfter an. Ich guck jetzt schon mal: Toll, aber ist das jetzt Bronze oder Knetgummi? Ich weiß gar nicht…“