• Yellow-Bird_©-Dovile-Sermokas

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Von Harry Schmidt

Reifer sei die Musik von Yellow Bird geworden, sagt Uli Kempendorff. Die Vorstellung, die die Band vom Sound jedes einzelnen Songs gehabt hätte, sei bei der Produktion von Edda Lou wesentlich genauer gewesen als noch auf ihrem vor drei Jahren veröffentlichten Erstling Sing. Wie der Titel nahelegt, waren darauf überwiegend Songs zu hören gewesen. Das Repertoire ihrer musikalisch ausgefallenen, mit Jazz gewürzten Coverversionen bildeten archaische „Songs aus den Appalachen, dem einst nach Nordamerika exportierten Irish Folk und bodenständigem Bluegrass“, fasst Manon Kahle den Ansatz des Debüts zusammen. Musik, mit der sie in den Wäldern Vermonts aufgewachsen ist. Dort habe sie als Kind zwar die Lieder von Patsy Cline und Bonnie Raitt aufgesogen, auch eigene Stücke für die Fiddle geschrieben, dann aber eine lange Zeit nichts mehr mit Musik zu tun gehabt, so die gelernte Schauspielerin und Illustratorin. „Mit Yellow Bird Musik zu machen und für die Band zu schreiben, gab mir auch etwas von einem Heimatgefühl“, meint sie, die Kempendorff während dessen Studienaufenthalts in den USA kennenlernte und seit 14 Jahren in Berlin lebt.

Auf Edda Lou prägt Kahle die Combo nun nicht mehr nur vorwiegend durch diese Setzung der Nashville-Koordinaten und als eine von zwei Sängerinnen der Band – eine ideale Entsprechung und Ergänzung findet ihr heller Sopran im dunkleren Timbre der Schweizerin Lucia Cadotsch, die man auch von Schneeweiss und Rosenrot kennt –, sondern zunehmend auch als Songschreiberin: Stammten auf Sing lediglich zwei Songs aus ihrer Feder, hat Kahle nun acht der zehn Originals von Edda Lou geschrieben. Mit „Miss Miss“ hat Cadotsch einen Song beigesteuert, mit „In the Woods“ der Gitarrist Ronny Graupe einen weiteren. Er kann bei Yellow Bird eine ganz andere Seite von sich zeigen und seine Vorliebe für nostalgische Americana-Klänge ausleben.

Modern Roots Music nennen Yellow Bird ihren Stil. Andere sprechen von Super-Dada-Bluegrass oder fiktionalem angloamerikanischem Folk. Instant Americana könnte man angesichts der Mörderballade Edda Lou auch sagen, die dem Longplayer den Titel verleiht. Darin kommt zur Abwechslung mal die gemeuchelte Frau zu ihrer Rache. Auf dem Album zeigen alle Beteiligten ihre Vielseitigkeit: Uli Kempendorff, der in Berlin und New York ausgebildete Saxofonist, spielt Klarinette, Klavier und Percussion, vorwiegend aber Bassklarinette. Manon Kahle singt wiederum nicht nur, meist im Duett mit Lucia Cadotsch, was wie in „Black Train“ eine eindringliche Wirkung zeitigt und direkt unter die Haut geht, sondern ist auf vielen Stücken an der Ukulele oder am Banjo und natürlich an der Fiddle zu hören. Auch Graupe greift hin und wieder zum Banjo, und Cadotsch ergänzt den Bandklang um Melodica und Percussion. Waren bei den Aufnahmen zu Edda Lou mit Michael Griener, Tim Lorenz und Max Weissenfeldt noch drei verschiedene Drummer beteiligt, komplettiert mittlerweile Ludwig Wandinger als festes Mitglied das Quintett.

„Aber wir sind ja alle keine Country-Musiker – und wir sind auch nicht aus Nashville“, merkt Kempendorff zur spezifischen Herangehensweise und Perspektive von Yellow Bird an. Ausgangspunkt zur Bandgründung war sein Geburtstag, zu dem Kahle auch Cadotsch und Graupe eingeladen hatte, um gemeinsam etwas Musik zu machen. Nachdem die Chemie sofort stimmte, wurde daraus Sing. Der Konzertkalender füllte sich, und im Lauf der Zeit kamen im Live-Programm immer neue Songs von Kahle dazu, bis genug für ein zweites Album beisammen waren. Noch mal „ganz schön lang“ habe es dann gedauert, bis die Songs endgültige Gestalt angenommen hätten. „Manches live zündende Arrangement hat im Studio einfach nur genervt“, berichtet Kempendorff. Man habe sich Zeit genommen, dafür andere Wege zu finden und zu gehen, dabei aber stets die Gefahr einer Überproduktion im Auge behalten, schließlich sollte das Erdige, das Schmutzige, das Direkte und Echte der Musik nicht verloren gehen.

Erklärtermaßen hat die ironische Brechung, die der Mythos des Authentischen bei Yellow Bird durch das Prisma des Jazzidioms erfährt, ihre historischen Vorläufer in Quellen wie der Filmmusik zu Jim Jarmuschs Down by Law, den Alben von Joni Mitchell aus den 70er Jahren oder auch – als aktuellere Parallele – den Songs von Sam Amidon. Gute Vorbilder sind ja nur selten verkehrt. Dass das unkonventionelle Quintett mit Edda Lou in schönster Weise quer zum Hipster-Zeitgeist-Jazz der Hauptstadt steht, verleiht dem Album noch eine zusätzliche Extraportion frechen, frischen, gegen den Strich gebürsteten Vintage-Charmes.

Aktuelle CD:

Yellow Bird: Edda Lou (Enja / Yellowbird / Soulfood)