Megaphon

Von Guido Diesing

Dranbleiben heißt es für die Deutsche Jazzunion. Seit im vergangenen Herbst die ARD ihre Pläne zur Rundfunkreform vorgestellt hat, wird die Interessenvertretung der deutschen Jazzer*innen nicht müde, auf die drohenden Folgen für die Szene hinzuweisen. Mit gutem Grund. Zwar wiegelt der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke ab, es sei bei den Geldern für Kultur keine Kürzung, sondern lediglich eine Umverteilung vorgesehen, doch man muss kein Mathe-Genie sein, um zu erkennen, dass die geplante Zusammenlegung der abendlichen Kulturstrecken der ARD-Sender für den Jazz sehr wohl Kürzungen bedeuten wird. „Weniger Produktionen und Mitschnitte, weil der Ausspielbedarf nicht mehr da ist“, befürchtet die DJU. „In der Folge also weniger Sichtbarkeit und weniger Vielfalt.“ Für den Erhalt dieser Vielfalt hat die DJU einen Forderungskatalog zusammengestellt und lässt jetzt jene zu Wort kommen, die es angeht: In einer Social-Media-Kampagne betonen bekannte Musiker*innen in persönlichen Statements die Wichtigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender. Den Auftakt machen Wolfgang Lackerschmid, Silke Eberhard, Aki Takase und Gebhard Ullmann, der resümiert: „Aus meiner Sicht ist die ARD, sollte es so weitergehen, dabei, sich perspektivisch kulturell überflüssig zu machen.“ Immerhin hat die ARD die Gründung einer digitalen Plattform namens ARD Jazz nach dem Vorbild von ARD Klassik angekündigt, wobei aber noch unklar ist, ob darauf lediglich die ohnehin vorhandenen Produktionen gesammelt oder auch eigene Formate veröffentlicht werden sollen. Die DJU wird weiterhin dranbleiben.

www.deutsche-jazzunion.de/kein-rundfunk-ohne-jazz/

Ungemach droht auch von anderer Seite: Im Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 sind zwar eine Budgeterhöhung im Gesamtbereich Kultur und Medien, aber auch massive Kürzungen für die Musik und die freie Szene vorgesehen, die auch Jazz und Improvisierte Musik treffen werden. So soll der in diesem Jahr erstmals vergebene Festival-Förderfonds um ein Viertel gekürzt werden. Die geplanten Kürzungen würden bedeuten, dass gerade erst aufgesetzte Förderprogramme gleich wieder eingestampft werden müssten. Auch hierzu geht die DJU beim Protest voran.

www.deutsche-jazzunion.de/news/pressemitteilung-geplante-kuerzungen-bundeshaushalt-2025/

Da käme eine Finanzspritze durch einen gewonnenen Deutschen Jazzpreis doch gerade recht. Wer sich Chancen ausrechnet, hat vom 15.10.-30.11. die Möglichkeit, eine Bewerbung einzureichen. Neben Künstler*innen, Produzent*innen, Verlagen, Labels und Festival-Veranstalter*innen werden erstmals auch Personen ausgezeichnet, die sich in der Musikvermittlung verdient machen. Bis zur Preisverleihung ist dann aber noch Geduld gefragt. Sie findet am 13.6.25 im Kölner E-Werk statt. Infos über die infrage kommenden Kategorien und das Bewerbungsprozedere unter:

www.deutscher-jazzpreis.de

Ein Ort, an dem man noch gern an die letzte Preisverleihung im April zurückdenkt, ist Nürnberg, wurde doch das dortige NUEJAZZ-Festival mit dem Deutschen Jazzpreis als Festival des Jahres ausgezeichnet. Davon angespornt geht es jetzt in die nächste Runde. Zwischen dem 19. und 30.10. spielen u.a. das Brad Mehldau Trio, Theo Croker, Kurt Rosenwinkel und das Melissa Aldana Quartet (weitere Acts im Terminteil). Und in Nürnberg werden Preise nicht nur entgegengenommen, sondern auch verteilt. Im Rahmen des Festivals wird der Gewinner des NUECOMER Jazz Award ein Preisträgerkonzert geben.

© Gorm Valentin

 

Alex Riel war mittendrin, als Dänemark in den 60er Jahren ein wichtiger Anlaufpunkt für US-amerikanische Jazzer wurde. Als Hausschlagzeuger des Kopenhagener Clubs Montmartre begleitete er Größen wie Dexter Gordon, Ben Webster, Donald Byrd und Kenny Dorham und war später kurzzeitig Mitglied des Bill Evans Trio. Als ausgesprochen vielseitiger Drummer, der sich im traditionellen und modernen Jazz, aber auch in Rock und Fusion zu Hause fühlte, war er jahrzehntelang ein international gefragter und beliebter Sideman, der an zahllosen Aufnahmen mitwirkte. Alex Riel starb im Juni im Alter von 83 Jahren.

Das Trans4JAZZ-Festival in Ravensburg hat sich zu einem der bedeutenden Jazz-Events in Süddeutschland entwickelt. Das diesjährige Line-up beweist wieder einmal, dass der Begriff Jazz in Ravensburg recht weit gedacht wird. Von 6.-10.11. sind u.a. die Jan Garbarek Group feat. Trilok Gurtu, der Trompeter Theo Croker mit Band und die Yellowjackets zu hören. Komplettes Programm im Terminteil und unter:

www.jazztime-ravensburg.de

Seine große Zeit erlebte er in den späten 70ern und frühen 80ern. James Chance, der sich in Anlehnung an James Brown zwischenzeitlich James White nannte, gebürtig aber James Siegfried hieß, war als Sänger und schriller Saxofonist seiner Band The Contortions eine der zentralen Figuren der No-Wave-Bewegung, die in New York mit eigenwilligen Kombinationen von Jazz, Punk und Soul für Furore sorgte. Nach intensiven, aber kurzen Erfolgsjahren folgten gesundheitliche Probleme, und Chance verschwand weitgehend aus dem Rampenlicht. Am 18. Juni starb er mit 71 Jahren in New York.

Die Deutsche Fotothek in Dresden zeigt zum Abschluss des Jubiläumsjahres zu ihrem 100-jährigen Bestehen die Ausstellung #INTENSIV mit Fotos von Matthias Blumhagen, Susan Lamèr und JAZZTHETIK-Mitarbeiter Matthias Creutziger. Letzterer arbeitet seit 1983 als Musik- und Theaterfotograf, liebt den Jazz und porträtiert dessen Protagonisten auf ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Bildern. Die Ausstellung wird am 25.10. mit einem Konzert von Günter „Baby“ Sommer und Micha Winkler eröffnet und ist bis zum 11.1.2025 zu sehen.

Wer Ende März 2025 noch nicht älter als 30 ist, kommt als Preisträger des European Young Artists‘ Jazz Award in Frage, der jedes Jahr bei den Internationalen Jazztagen Burghausen ausgespielt wird. Wer am 25.3. unter den fünf von einer Jury ausgewählten Formationen sein möchte, hat bis zum 31.10. die Möglichkeit, sich zu bewerben. Von Solokünstler*innen bis zu Big Bands dürfen sich alle angesprochen fühlen. Den Gewinner*innen winkt ein Preisgeld von 5.000 € und die Ehre, am darauffolgenden Tag mit einem Auftritt das Festival zu eröffnen.

www.b-jazz.com/15th-european-young-artists-jazz-award-burghausen

Er zählte zu den meistgespielten zeitgenössischen Komponisten Europas: Wolfgang Rihm wurde 1952 in Karlsruhe geboren und schloss zeitgleich mit seinem Abitur bereits ein Studium in Komposition und Musiktheorie ab. Seinen Durchbruch erlebte er 1974 bei den Donaueschinger Musiktagen, später wurde er selbst Professor für Komposition in seiner Heimatstadt. Rihm schrieb für zahlreiche Besetzungen: Kammermusik, Lieder, Solokonzerte, Orchesterwerke und Musiktheater. Über die Notwendigkeit, als Künstler Angriffe und Kritik aushalten zu müssen, sagte er den klugen Satz: „Um unangreifbar zu sein, muss man entweder Kritiker werden oder Bankdirektor. Aber man darf nicht Künstler werden.“ Wolfgang Rihm starb im Juli im Alter von 72 Jahren.

© Denis Hill

 

Der Trompeter Daniel Migliosi ist neuer und insgesamt dritter Stipendiat der Grizzly Jazz Foundation und folgt auf die Sängerinnen Alma Naidu und Kateryna Kravchenko. Das Stipendium umfasst zwei Jahre, in denen 20.000 € für konkrete Vorhaben des Künstlers ausgeschüttet werden. Migliosi ist gebürtiger Luxemburger, seit 2023 Mitglied im Bundesjazzorchester und wird von den Vertretern der Bonner Förderstiftung folgendermaßen gelobt: „Sein Spiel ist virtuos, seine künstlerischen Ziele verfolgt er mit großer Geradlinigkeit, seine Energie und Spielfreude haben uns begeistert.“

© JtMusicPix

 

Gleich mit zwei großen Projekten ist die hr-Bigband in diesem Jahr beim Deutschen Jazzfestival Frankfurt vertreten. Außer einem Duke-Ellington-Tribut mit Jason Moran führt die Band Literaturvertonungen auf, die Omer Klein für die Sängerin Becca Stevens geschrieben hat. Neben Vertreter*innen der heimischen Szene treten vom 25.-29.10. auch internationale Stars wie Bill Frisell, Kurt Rosenwinkel und Emma Rawicz auf (ausführliches Programm im Terminteil).

www.hr2.de/veranstaltungen/jazzfestival

Bereits ihr erstes Lied „Tous les garçons et les filles“, ein Chanson über junge Menschen auf der Suche nach Liebe, verkaufte sich 1962 in wenigen Tagen über vier Millionen Mal und machte die französische Pop- und Chansonsängerin Françoise Hardy mit gerade mal 18 Jahren zum Star. Einsamkeit, Liebe, Sehnsucht und Abschied waren die Themen, die ihre Lieder bestimmten. Die Melancholie sei Teil ihres Wesens, sagte sie über ihre Lebenseinstellung. Im Alter von 80 Jahren ist Françoise Hardy nach jahrelangem Kampf gegen eine Krebserkrankung in ihrer Heimatstadt Paris gestorben.

© Knut Aaserud

 

Gleich zwei Wochenenden sollten sich die Freunde der St. Wendeler Jazztage, kurz und vokalarm auch WND JAZZ genannt, notieren und freihalten. Nach einem Prolog mit drei Konzerten am 14./15.9. findet der Löwenanteil des Festivals vom 20.-22.9. statt. Zu den Höhepunkten dürfte das Doppelkonzert am 20.9. zählen, bei dem im Saalbau der saarländischen Kreisstadt die Markus Stockhausen Group und das Silk & Sand Trio von Nguyên Lê zu sehen sind. Dazu gibt es einen Big-Band-Abend und zum Abschluss eine spanische Nacht mit Marco Mezquida und der Antonio Lizana Group.

www.wndjazz.de

Nach klassischem Schlagzeugstudium entwickelte sich Florian Poser – unterrichtet von Wolfgang Schlüter, David Friedman und Gary Burton – in den 1980er Jahren zu einem der renommiertesten deutschen Vibrafonisten. Er machte Aufnahmen mit Klaus Ignatzek, Peter Finger und seiner eigenen Brazilian Experience und wurde als Professor an die Hochschule Bremen berufen. Gerade erst hatte er im April mit seinem „Capriccio ad jubilaeum“ den Kompositionswettbewerb zum 100-jährigen Bestehen des Bundesverbands Amateurmusik Sinfonie- und Kammerorchester (BDLO) gewonnen. Die Uraufführung des Werks am 5.10. in der Hamburger Elbphilharmonie wird Florian Poser nicht mehr erleben. Er starb am 19. Juli in Rotenburg.

Applaus, APPLAUS!“, heißt es am 20.11. in Rostock, wenn zum elften Mal unabhängige Musikclubs und Veranstaltungsreihen für besonders gelungene Pop- und Jazzprogramme geehrt werden. Der APPLAUS-Award wird von Kulturstaatsministerin Claudia Roth in sechs Kategorien verliehen und ist mit Preisgeldern von insgesamt rund 1,6 Millionen € einer der höchstdotierten Bundeskulturpreise.

Eine weitere Million aus dem Bundeskulturhaushalt steht zur Unterstützung für Plattenläden bereit, die es heutzutage mindestens ebenso schwer haben wie Musikclubs. Für sie steht in diesem Jahr erstmals EMIL bereit. Der deutsche Preis für Schallplattenfachgeschäfte ist nach Emil Berliner, dem Erfinder der Schallplatte, benannt und für die Gewinner mit Preisgeldern von bis zu 25.000 verbunden. Claudia Roth betont die Bedeutung von Plattenläden: „Sie sind wichtige Kulturorte und gerade für Subkulturen wichtige soziale Orte der Begegnung und des Austauschs.“ Recht hat sie. Die Preisverleihung findet am 1.12. in Köln statt.

John Mayall sah sich selbst auf der Mission, den Blues weltweit bekannt zu machen, und begann damit in seiner britischen Heimat. Er war ein Pionier, der auch als Talentförderer wichtige Impulse setzte: Durch die Schule seiner Band The Bluesbreakers gingen Musiker wie Mick Fleetwood, Eric Clapton, Jack Bruce, Peter Green und Mick Taylor. Der Sänger, Gitarrist, Keyboarder und Mundharmonikaspieler blieb bis ins hohe Alter aktiv, ging bis 2021 noch auf Tournee und veröffentlichte 2022 sein letztes Album. Im Juli starb er in Kalifornien, wo er seit 1968 gelebt hatte, im Alter von 90 Jahren.

Seit vier Jahren bilden sie ein Duo, jetzt werden Ayşe Cansu Tanrıkulu und Nick Dunston für ihre Zusammenarbeit mit dem SWR Jazzpreis ausgezeichnet. Die Jury nennt die Sängerin und den Kontrabassisten „zwei Freigeister, deren kreative Energien sich ergänzen und potenzieren“ und lobt ihre „dynamische Wucht“. Der Preis ist mit 15.000 € dotiert. Verleihung und Preisträgerkonzert finden am 23.10. beim Festival Enjoy Jazz statt, wo die beiden Wahlberliner mit Drummer Joey Baron auftreten.

Toumani Diabaté entstammte einer alteingesessenen malischen Griot-Familie und trat früh in die Fußstapfen seines Vaters Sidiki, der ihm das Kora-Spielen beibrachte. Er führte die Familientradition fort, begeisterte sich aber gleichzeitig für westliche Musik, was so weit ging, dass er als Jugendlicher nicht nur gern James Brown und Jimi Hendrix hörte, sondern auch – Fun Fact – die Scorpions. 1987 nahm er das erste unbegleitete Kora-Album überhaupt auf, das seinen Ruf als Meister dieses Instruments begründete. Seine musikalische Vielseitigkeit und Offenheit belegt die lange Liste seiner Kooperationspartner*innen, auf der so unterschiedliche Namen wie Taj Mahal, Björk, Damon Albarn, Herbie Hancock und Béla Fleck stehen. Diabaté starb nach kurzer schwerer Krankheit mit nur 58 Jahren.

Mit der Veranstaltungsreihe „Immanuel goes Bigband“ arbeitet das Kulturzentrum Immanuel in Wuppertal weiter am selbst ausgerufenen Ziel, „ein Zentrum für Jazzorchester-Kultur zu werden“. In Konzerten mit dem Fuchsthone Orchestra (31.8.) und dem Wolfgang Schmidtke Orchestra (21.9.) gibt es professionellen Anschauungsunterricht für Bigband-Interessierte, bevor Fortgeschrittene in einer Masterclass bei Saxofonist Schmidtke auch praktisch ihre Impro-Skills verbessern können (5./6.10.). Im weiteren Jahresverlauf schauen noch das JugendJazzOrchester NRW und die WDR Big Band mit Bob Mintzer in Wuppertal vorbei.

www.immanuelskirche.de/igb2024

© Hans Kumpf

 

Die SWR Big Band trauert um ihren Saxofonisten Axel Kühn, der seit 2000 festes Mitglied der Band war und am 11. Juni mit nur 60 Jahren gestorben ist. Kühn begann seine Laufbahn in der Münchner Szene, spielte in Big Bands und eigenen Formationen und tourte mit Künstlern wie Udo Lindenberg, Konstantin Wecker und Peter Kraus. Im Nachruf des SWR heißt es: „Axel Kühn war nicht nur ein außergewöhnlicher Musiker, sondern auch ein inspirierender Mensch, der unser Leben und unsere Musik mit seiner Leidenschaft, seinem Talent und Humor bereichert hat.“

© Silke Kammann

 

Die Konzertreihe „Jazz in Essen“ wird traditionell mit der Verleihung des Jazz Pott eröffnet. In diesem Jahr wird der Wuppertaler Bassist und Komponist Jan Kazda mit dem Preis geehrt. Den Pott bekommt er am 29.9. im Essener Grillo-Theater, wo er mit seiner Band Kazda und den Indigo Strings Musik von Nino Rota aufführt.

© Liudmila Jeremies

 

Beim Osnabrücker Morgenland Festival geht eine Ära zu Ende. Die gerade abgeschlossene 20. Ausgabe war die letzte unter der Leitung von Festivalgründer Michael Dreyer, der sich künftig ganz seiner Aufgabe als Manager der NDR Bigband widmen will. Als Interimsnachfolger fungiert 2025 der syrische Klarinettist Kinan Azmeh, bevor im Jahr darauf die iranische Klarinettistin Shabnam Parvaresh dauerhaft die Leitung übernimmt.