Jazzbaltica

© Jacek Brun

Timmendorfer Strand

Von Angela Ballhorn. 30 Jahre Jazzbaltica – das Festival am Timmendorfer Strand konnte tatsächlich stattfinden. Das Go für das große Pilotprojekt mit durchdachtem Hygienekonzept kam zehn Tage vor dem Festival und zeigte, wie schnell und flexibel die Festivalleitung arbeitet. Die großen Konzerte wurden kurzerhand in den Strandpark verlegt. Die sonst draußen stattfindenden Acts wanderten als JazzLab in den Saal des Maritim-Hotels, allerdings in den Zuschauerraum, während die Zuschauer auf der Bühne und der Galerie saßen. 14.500 Menschen wohnten an vier Tagen 37 Konzerten bei, groß war die Freude beim Publikum, endlich wieder Live-Musik erleben zu können, und fast noch größer bei den Musikern, wieder vor Publikum spielen zu können.

Das Programm, das Nils Landgren für 2020 zusammengestellt hatte, wurde quasi um ein Jahr verspätet auf die Bühne gestellt. Viele Schweden wie Viktoria Tolstoy, Ida Sand, Magnus Lindgren oder Joel Lyssarides waren ebenso auf den Bühnen zu finden wie Nachwuchs, Großformationen und kleine intime Konzerte.

Fabia Mantwill eröffnete mit ihrem Orchester das Open-Air-Programm. Die Komponistin, Sängerin und Saxofonistin begeisterte mit ihrem ungewöhnlich besetzten Klangkörper. Überhaupt waren wieder erfreulich viele Frauen nicht nur in den Line-ups, sondern auch als Bandleaderinnen zu erleben. KLARO! mit Karolina Strassmayer, Fabia Mantwill, Viktoria Tolstoy, Stephanie Lottermoser, Lisa Wulff, Nicole Johänntgen und Antje Rößeler seien hier stellvertretend genannt. Gleich zwei Gewinner des IB.SH-Jazzawards konnten begeistern. 2021 erhielt der Trompeter Christian Höhn (aus der Talentschmiede des Timmendorfer Ostseegymnasiums) den Preis, sein Konzert mit der Band Bluff zeigte einen reifen Musiker mit klarer Vision. Keno Harrieshausen (p) war 2020 ausgezeichnet worden, auch er durfte sein Quartett beim Festival vorstellen.

Highlights waren die „kleinen Dinge“ im kleinen Saal – beeindruckend das Duo des Schweizer Posaunisten Samuel Blaser mit dem französischen Gitarristen Marc Ducret. Noch beeindruckender und als Konzert am längsten nachklingend war das Mutter-Tochter-Gespann Rita Payés und Elisabeth Roma aus Barcelona, die mit klassischer Gitarre (Mutter) und Gesang und Posaune (Tochter) wunderschöne Lieder spielten – schlicht und berührend. Raul Midón füllte die große Bühne mit Gitarre, Bongos und Stimme, als Gast bei Ida Sand und Stockholm Underground machte er einen etwas verlorenen Eindruck.

Die NDR Bigband führte Volker Kriegels Kindermusical Erwin mit der Tröte auf und überraschte in einem Programm mit Gitarrist Kurt Rosenwinkel. Geir Lysne verwandelte dessen manchmal sehr sperrige und schwer zugängliche Kompositionen in ein farbenfrohes Bigbandformat. Lautstarker Schluss des Festivals war die Jazzrausch Bigband, die mit wummernden Technobeats und ausgeklügelter Balance zwischen Club- und Jazzmucke den Strandpark tatsächlich zum Tanzen brachte. Fast alle Konzerte aus dem Maritim-Hotel können in der ZDF-Mediathek unter https://www.zdf.de/kultur/jazz-baltica angeschaut werden.