Megaphon

Schlechte Nachrichten für Musiker, die Blasinstrumente spielen: Tief einatmen könnte mit Risiken verbunden sein. In zahlreichen deutschen Städten enthält die Atemluft zu viele Stickoxide, woran, wie man gelegentlich liest, Autos nicht ganz unbeteiligt sein sollen. Die deutsche Autoindustrie allerdings konnte bisher weder im Menschen- noch im Affenversuch abschließend klären, wie gefährlich das ist. Warum allerdings Laborversuche mit Affen mehr Empörung hervorrufen als die seit vielen Jahren laufenden Großversuche am Homo sapiens in der freien Wildbahn unserer Städte, ist nicht recht plausibel. Gibt es denn gar keine guten Nachrichten? Doch! Das Umweltministerium korrigiert: Inzwischen werden in einigen Städten die Grenzwerte nicht mehr chronisch überschritten. Vielleicht kann man hier und da noch eine Messstation an den Stadtrand verlagern, das scheint auch zu helfen.

Gestorben ist Heinz Jakob „Coco“ Schumann, swingender Gebrauchsmusiker und der erste E-Gitarrist in Deutschland. Es war ihm nicht vergönnt, einfach nur Musiker zu sein. Zu oft hat er in die Augen von Kindern geschaut, die in Birkenau an ihm vorbei ins Gas getrieben wurden, während er als Mitglied der Lagerkapelle „La Paloma“ spielen musste. Später hat er das Lied von der weißen Taube nur noch als „Das schwarze Huhn“ angesagt. Das Publikum fand das in der Regel lustig, obwohl es nicht so gemeint war.

In Bonn läuft schon der Vorverkauf, das Jazzfest beginnt am 26. April im Post Tower mit dem Trio Saskya und dem Nils Landgren Quartet. Das letzte Konzert gibt es am 12. Mai in der Bundeskunsthalle, wo das Michael Wollny Trio und Martin Albrecht mit dem Sextett Scriabin Code zu hören sind. Dazwischen gibt es immer an Frei-, Sams- und Sonntagen Konzerte, in der Regel in

Julia Biel © Jenna Foxton

spannenden Doppelpackungen an mehreren Spielorten. Zum Beispiel Ed Motta im Telekom Forum (27.4.), Andreas Schaerer & A Level of Anomaly und Nils Wülker in der Aula der Universität (28.4.), wo auch Django Bates mit Trio und Ulita Knaus mit Quartett (29.4.) zu hören sind. Inga Lühning und André Nendza sowie Julia Hülsmann und Christopher Dell kommen ins Beethoven-Haus, und so geht es weiter: mit Philippe Catherine und Wolfgang Haffner und Richie Beirach und Lyambiko und John Scofield und Pablo Held.

www.jazzfest-bonn.de

Christian Burchard

Embryo war eine Synthese aus (Kraut-)Rock, Weltmusik, Jazz und alternativer Ökonomie – also pure Utopie, damals, in den goldenen 70ern. Christian Burchard hatte die Band 1969 gegründet, er spielte Schlagzeug und Mallets und war ihre rastlose Seele. Mit Missus Beastly und etlichen anderen Bands knüpfte man das Netzwerk „April“, das bald in „Schneeball“ umgetauft wurde. Viele Musiker, die heute in anderen Zusammenhängen arbeiten, haben dort prägende Zeiten verbracht. Christian Burchard ist am 17. Januar gestorben.

Den Verdienstorden am Bande gab es im Dezember für – so viel Zeit muss jetzt mal sein – Alexander Graf von Schlippenbach

Alexander-Graf-von-Schlippenbach © Frank Schindelbeck

für seine kulturellen Verdienste, die erheblich sind, wer wollte das bezweifeln. Wie gut, dass es dafür endlich offizielle Anerkennung gibt! Und großen Glückwunsch, Alex!

Die Internationale Jazzwoche Burghausen beginnt am 6. März im Stadtsaal mit dem traditionellen Finale des Europäischen Nachwuchs-Jazzpreises. Die Preisträger bekommen 5.000 Euro Preisgeld und eröffnen am folgenden Abend in der Wackerhalle das Festival. Im Rennen sind das Kölner Frauen-Vokal-Quartett Of Cabbages and Kings, das Auxane Trio aus Frankreich, das Kölner Oktett Stadtgespräch, das Anton Mangold Quartett aus Würzburg und das Ethno-Jazz-Quartett Leléka aus Berlin. Das Festival geht bis zum 11. März, zu erleben sind unter anderem Marius Neset, Vincent Peirani, Charles Tolliver, Manu Dibango und Wolfgang Haffner, und ab 23 Uhr gibt es im Keller Sessions mit dem Don Menza Quartett.

www.b-jazz.com

Die kalifornische North Coast Brewing Company fördert eine Jazz-Reihe sowie das Thelonious Monk Institute of Jazz und braut unter anderem ein Bier im „Belgian Style“, das sie mit einem Bild des Musikers und dem Namen „Brother Monk“ etikettiert. Thelonious Monk jr. findet das nicht in Ordnung. Richter Haywood Gilliam fand es plausibel, dass Thelonious Monk jr. das Recht habe, die kommerzielle Verwertung des väterlichen Namens selbst zu kontrollieren. Die Brauerei gibt sich enttäuscht und will den Rechtsweg beschreiten.

Roswell Rudd, Jahrgang 1935, Musikethnologe und Posaunist, hat im Tailgate-Stil angefangen und einen mächtigen Ton entwickelt. Als Musiker und Lehrer hat er vielen vieles beigebracht, bei vielen Bands und Projekten mitgewirkt – zum Beispiel immer wieder in den Bands von Carla Bley, aber auch mit anderen Größen des zeitgenössischen Jazz – und sich intensiv mit der Musik Westafrikas befasst. Ende Dezember starb er an den Folgen seiner Krebserkrankung.

Der Miles Award wird seit 2012 jährlich von Jazzrock TV vergeben. Ihn gibt es für Verdienste um den Jazzrock. Diesmal waren die Preisträger Markus Schinkel (Crossover Fusion Award), Étienne Mbappe (World Fusion Award) und Steely Dan (Fusion Legends Award).

In Schorndorf, östlich von Stuttgart, gibt es den Club Manufaktur, der bald 50 Jahre alt sein wird, was an einem ausgelassenen Festabend mit guter Musik gefeiert wurde. Von der Manufaktur und ihren fünf Jahrzehnten erzählt auch ein schönes Buch, das JAZZTHETIK-Autor Christoph Wagner geschrieben hat. Man kann es im Manufaktur-Büro bestellen.

www.club-manufaktur.de

Kevin Mahogany

In Robert Altmans Film Kansas City spielte Kevin Mahogany mit, als Sänger war er seit den 90er Jahren auf vielen Tonträgern zu hören. Im Dezember ist er im Alter von nur 59 Jahren gestorben.

Schon Anfang Dezember ist James Marcellus Arthur, genannt Sunny Murray, gestorben, der dem Schlagzeug viele neue Türen in die Welt des freien Jazz geöffnet hat. Er verzichtete früh auf das traditionelle Time-Keeping und das Markieren von Takteinheiten zugunsten eines rhythmisch mehrdeutigen Gewebes mit Bass-Drum-Akzenten – und beeinflusste damit eine ganze Generation von Jazz-Schlagzeugern ab den 60er Jahren.

Sunny Murray

Der Künstlerhafen hat unter anderem an Uschi Brüning, Lisa Herbolzheimer, Fanny Krug, Charles Brauer, Mitglieder der Manfred Krug Band sowie den Arrangeur und Produzenten Lutz Krajenski einen Jazz Award in Gold für mehr als 10.000 verkaufte Tonträger des Hommage-Albums Seine Lieder verliehen. Das nach Manfred Krugs Tod im Februar 2017 entstandene Album hielt zwei Monate lang Platz 1 der offiziellen deutschen Jazzcharts.

Der Landesjazzpreis Baden-Württemberg in der Kategorie Sonderpreis für das Lebenswerk wird in diesem Jahr an Bernd Konrad verliehen, für seine wegweisenden Leistungen als Bühnenmusiker, Komponist und Hochschullehrer. Die Preisverleihung mit Preisträgerkonzert findet im Rahmen der Stuttgarter Theaterhaus-Jazztage am 28. März statt.

Eigenartiges trug sich zu in Saarbrücken, wo das Jazz Syndikat als eingetragener Verein ein Festival veranstaltete, sich nun aber leider rückstandslos aufgelöst zu haben scheint. Wie es aussieht, werden etliche Musiker und Agenturen auf ihren unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben, Stadt und Land sehen sich nicht in der Pflicht – und ein Saarbrücker Jazzfestival wird es wohl vorerst nicht mehr geben.

Aber es geht auch voran mit dem Jazz, so heißt schließlich die Messe: Vom 19. bis 22. April gibt es auf

jazzhead!

dem Messegelände an der Bremer Bürgerweide die jazzahead! mit dem bekannten Ausrufezeichen. Partnerland ist Polen (siehe auch Wolf Kampmanns Anmerkungen zur polnischen Jazz-Szene in diesem Heft), es gibt also eine Polish Jazz Night am 19.4., das European Jazz Meeting am 20.4., die German Jazz Expo am 21.4. und die Overseas Night im Kulturzentrum Schlachthof sowie viele weitere Ereignisse mit Stadt- und anderen Musikanten.

www.jazzahead.de

Hugh Masekela

Hugh Masekela aus Südafrika war einer der wichtigsten Pioniere von Jazz- und Weltmusik. Er spielte zunächst Klavier, wechselte dann zur Trompete und war Mitglied des ersten Jugend-Jazzorchesters im Lande, der Huddlestone Jazz Band. Später trat er mit Jimi Hendrix und mit Janis Joplin auf und noch später mit Paul Simon. Sein Nelson-Mandela-Song „Bring Him Back Home“ bekam in den 80er Jahren Hymnen-Status. Geboren in der Bergbaustadt Witbank, ist Hugh Masekela jetzt in Johannesburg gestorben.

Nur zwei Tage dauert das Elbjazz-Festival in Hamburg, was man kaum glauben kann, wenn man die Liste der dort vertretenen Musiker sieht. Ist aber so. Artist in Residence ist Michael Wollny, außer ihm

Michael Wollny
© Anna Meuer

spielen unter anderem Nneka, Nils Landgrens Funk Unit, GoGo Penguin, Omer Klein, Andromeda Mega Express Orchestra, NDR Bigband, Django Bates & HR-Bigband, Eva Klesse Quartett.

www.elbjazz.de

France Galls Vater schrieb Chansons für Edith Piaf und Charles Aznavour. Sie selbst hatte 1965 einen Eurovisions-Erfolg mit Serge Gainsbourgs Lied von der Wachspuppe („Poupée de cire, poupée de son“) und sang später auch auf Deutsch. France Gall starb am 7. Januar und wurde auf dem Friedhof von Montmartre beigesetzt.

Jazz ist ohne die spezielle Musiker-Gesellungsform der Band nicht vorstellbar. Die Band hat idealerweise eine feste Besetzung, einen unverwechselbaren Sound und keine oder eine sehr flache Hierarchie. Seit über einem Jahrhundert prägt die Band die populäre Musikgeschichte. Die Konzertreihe „YEAH! BANDS!“ des Darmstädter Jazzinstituts widmet sich im institutseigenen Kellergewölbe diesem Phänomen und geht zwischen zwei Sets gesprächsweise ihren Mechanismen im Tournee- und Konzertalltag nach.

www.jazzinstitut.de

Joseph Emmanuel „Manno“ Charlemagne war die Stimme der Armen von Haiti, die die breite Mehrheit der dortigen Bevölkerung ausmachen. Er sang seine volkstümlichen und politisch markierten Lieder auf Französisch und im Haitianischen Kreolisch, war von Bob Marley und George Brassens gleichermaßen beeinflusst und machte sich bei der Diktatoren-Dynastie der Duvaliers nachhaltig unbeliebt. Er starb Anfang Dezember in Miami, Florida, an Lungenkrebs.

Nanu! Kein Club, der schließen muss, sondern einer, der neu eröffnet! Na sowas! Das geschieht gerade in Mannheim, im Keller des Rosengartens. Heißen soll er Ella & Louis, und die Eröffnung ist für den September 2018 vorgesehen. Der initiative und künstlerische Kopf hinter dem Projekt ist der Mannheimer Trompeter Thomas Siffling, dem man für sein Vorhaben alles Gute wünschen kann.

Den Ehrenpreis 2018 der deutschen Schallplattenkritik e.V. erhalten die Sopranistin Barbara Hannigan, der Dirigent Herbert Blomstedt sowie (Trompetentusch!) Till Brönner. Alle drei haben, so die Jury-Begründung, „in ihren jeweiligen Genres mit ihrem Willen zur Horizonterweiterung Maßstäbe gesetzt.“

www.schallplattenkritik.de/ehrenpreise

Frank Sinatra war zumindest in sängerischer Hinsicht ein Vorbild für Marlene VerPlanck, die 1933 als Marlene Pampinella in Newark, New Jersey, geboren wurde. Sie begann mit 19 ihre Karriere, arbeitete mit Hank Jones, Herbie Mann und Kenny Clarke, heiratete den Bandleader, Arrangeur und Studiomusiker Billy VerPlanck, arbeitete für Radio und Fernsehen und mit Mel Tormé und Kiss und nahm im Jahr 2000 mit Hank Jones und George Shearing das Album My Impetuous Heart auf. Sie starb am 18. Januar.

„Oh Happy Day“, sangen die Edwin Hawkins Singers, aber das passt nun gar nicht, denn der kalifornische Gospel-Musiker Edwin Hawkins, der vier Grammys erhielt und sieben Millionen Schallplatten verkaufte, ist am 15. Januar in seiner kalifornischen Heimat gestorben.

Mammal Hands
© Tom Barrett

Im März sind die Mammal Hands unterwegs – in der Berghain Kantine in Berlin (2.3.), im Dortmunder domicil (14.3.), bei feinkost Lampe in Hannover (15.3.), im Hessischen Landesmuseum Wiesbaden (17. 3.) und so fort, bis es dann Anfang April ins befreundete Ausland geht. Mammal Hands? Das Trio aus Jordan Smart (sax), Nick Smart (p) und Jesse Barrett (perc).

http://mammalhands.com

Idris Elba

Nach Nelson Mandela kommt Thelonious Monk – jedenfalls für den Schauspieler Idris Elba. In Long Walk To Freedom verkörperte er den späteren südafrikanischen Präsidenten, jetzt bekommt er die Chance, in einem Biopic den großen Jazz-Pianisten zu spielen, den er einen seiner Lieblingsmusiker nennt.

Gregory Porter

Das Festival Jazzopen in Stuttgart hat sein erstes Vierteljahrhundert voll (will sagen: findet zum 25. Male statt) und geht vom 12. bis 22. Juli. Wer jetzt denkt „ist ja noch ein bisschen hin“, sollte in Rechnung stellen, dass der Vorverkauf bereits eröffnet ist. Wer also im Juli Gregory Porter oder die Stanley Clarke Band, Pat Metheny, Marcus Miller oder Till Brönner oder vielleicht sogar Kraftwerk hören will, kann schon mal vorsorgen.

www.jazzopen.com

Die Peter Kowald Gesellschaft und ihre Spielstätte ort in Wuppertal ist zum siebten Mal vom Landesmusikrat NRW mit dem Spielstättenprogrammpreis ausgezeichnet worden. Preisverleihungstag war der 8.1. im Dortmunder domicil.

Der deutsche Weltmusikpreis Ruth existiert in den Versionen Hauptpreis, Förderpreis und Ehrenpreis. Die aktuellen PreisträgerInnen sind Cymin Samawatie (Haupt-Ruth), die als Musikerin, Komponistin, Projektleiterin und Kuratorin ausgezeichnet wurde; zweitens (Förder-Ruth) das Duo der Akkordeonistin Maria Dafka und des mazedonischen Bassisten Dine Doneff, und den Ehren-Ruth bekommt der Musikjournalist Michael Kleff, der das Lied- und Folk-Geschehen in Deutschland seit vielen Jahren in vielfältiger Weise mitgeprägt hat. Der Preis des Rudolstadt-Festivals schließlich geht an den Musiker Gisbert zu Knyphausen.

www.weltmusikpreis.de

Josephine Bode
© Helmut Berns

Das Pfingst-Festival in Moers pflegt weiterhin die Institution Improvisers in Residence. Diesmal wird das die Flötistin Josephine Bode sein, geboren in Oldenburg, aufgewachsen in Münster, seit ihrem Studium in Amsterdam lebend. Ihr Hauptinstrument ist die Blockflöte, die es in vielen Gestalten gibt, und sie arbeitet interdisziplinär mit Lichtkunst und Theater-Elementen. Das Motto ihrer Residence lautet „Inner Visions“.

www.moers-festival.de/