19. Jazzforum
Darmstadt

© Wilfried Heckmann
Von Arne Schumacher. Gibt es Themenkonferenzen, bei denen man am Ende das Gefühl hat, dass keine wesentlichen Fragen offen geblieben sind? Falls ja: Das 19. Darmstädter Jazzforum, ausgerichtet vom rührigen Jazzinstitut Darmstadt, gehörte definitiv nicht dazu. Im Zuge der mehrtägigen, programmlich üppig aufgestellten Zusammenkunft – auch Workshop, Filmreihe, Konzerte gehörten dazu – bildete sich ein Mosaik, das viele Motive anbot, aber kein sonderlich klares Bild ergab. Dabei hatte die Überschrift „Universal Consciousness“ zumindest die Hoffnung auf etwas geistige und emotionale Orientierung, vielleicht auch Momente der Erleuchtung in Zeiten der mehrfach erwähnten „Poly-Krise“ genährt. Der Untertitel brach das Alice-Coltrane-Zitat ein Stück weit auf: „Jazz, Spiritualität und der Blues des guten Lebens“ sollte den Bogen von esoterisch Angehauchtem zum herausfordernden Jazz-Alltag vorgeben.

© Wilfried Heckmann
So ging es in den Vorträgen und Talks einerseits um Transzendenz, Achtsamkeit, Beyondness oder auch Living Ghosts (Michael Wollny). Andererseits wurde es ganz und gar bodenständig: im Zwiegespräch einer Survival-erprobten Musikerin (Alexandra Lehmler) mit der Tagungsmoderatorin, der Musikjournalistin Aida Baghernejad, in den autobiografischen Reflektionen einer multikulturell geprägten Perkussionistin (Laura Robles), im Panel-Gespräch mit Kurator*innen von Konzertreihen oder in Erörterungen, wie Improvisation schulisch vermittelt werden kann. Erhellende Eindrücke von spirituellen musikalischen Praktiken auf Madagaskar (wo Jazz nur eine Randerscheinung ist) erweiterten die beabsichtigte Vielfalt ebenso wie ein philosophisches Denken über „connecting patterns“.

© Wilfried Heckmann
Die Präsentation des Musik/Visual-Art-Projekts „Triptych of the Absentees“ von Basak Yavuz und Serdar Yilmaz zeigte beispielhaft, wie Kreative uns in Sphären eines höheren Bewusstseins locken können. Das eigensinnige Impro-Duo Die Unwucht probte eine „lecture performance“. In ein facettenreiches, in Entwicklung befindliches Spirituality-in-music-Projekt unter der Überschrift „Beyond Music“ führten Journalist Jan Kobrzinowski und Video-Podcaster Hans Hansen ein. Was genau der Begriff Spiritualität eigentlich einschließt, wurde im Verlauf der Tagung immer verschwommener. Ein Füllhorn an Stoff, viele verschiedene Ansätze und Zugänge: Bei dem konzeptionellen Versuch, etwas zu bündeln und zu greifen, musste man sich letztlich mit einem Annähern zufrieden geben.

© Wilfried Heckmann
Sehr konkret half der systematische Beitrag von Uwe Steinmetz, Musiker und Kapazität für „Jazz und Spiritualität“. Pianist Michael Wollny, am Abend zuvor auf größerer Bühne mit Saxofonist Emile Parisien zu erleben, gab mit Ausführungen unter dem (Album-)Titel Living Ghosts samt (Horror-)Filmausschnitten, historischen Schlaglichtern und Bausteinen seiner musikalischen Praxis faszinierende, zudem höchst unterhaltsame Einblicke. An anderer Stelle hätte eine deutlichere Fokussierung sowie etwas weniger Nabelschau auf Seiten einiger Teilnehmer*innen dem manchmal verblassenden roten Faden gutgetan. Gleichwohl: Auch das 19. Jazzforum brachte viele anregende Gedanken, Informationen, Einsichten und, ja, auch Emotionen hervor, die nachklingen und Impulse geben.



