© Maarit Kytöharju

41. Jazz Happening

Tampere

Von Jan Kobrzinowski. Auf magische Weise verknüpfte das 41. Tampere Jazz Happening auch in diesem Jahr scheinbar lose Enden zu roten Fäden – bereits zum 20. Mal eingefädelt von Festivalmacher Juhamatti Kauppinen. Glückwunsch!

Ein roter Faden sind die afrikanischen Roots der aktuellen improvisierten Musik. Als Ersatz für das Sun Ra Arkestra (Marshall Allen musste aus gesundheitlichen Gründen absagen) wurden Isaiah Collier & The Chosen Few zu einem Highlight. Laut und deutlich zelebrierte das Quartett eine hochverdichtete moderne Hommage an legendäre Coltrane-Zeiten. Altmeister Mulatu Astatke beschwor mit seiner großartig besetzten britischen Band die großen Zeiten des Ethio-Jazz. Das finnisch-afrikanische Helsinki Cotonou Ensemble zeigte, dass Afro-Spirits auch im hohen Norden gedeihen. Ein gereifter Theo Croker bewies, dass der „totgesagte“ Jazz, angereichert mit HipHop, Spoken Word, Beats und Elektronik, durchaus Zukunft hat. Nubya Garcias ähnliche Botschaften aus der Londoner Szene wirkten dagegen etwas prätentiös. Tags zuvor vergab Jazz Finland seinen YRJÖ-Award an Trompeter Jukka Eskola, der mit seinem Soul Trio ein grooviges Eröffnungsset lieferte, gefolgt von Ritual Dances, den Strawinsky-Versionen des dänischen Schlagzeugers Stefan Pasborg, aufgeführt vom UMO Helsinki Jazz Orchestra mit 16 (warum eigentlich nur?) Männern unter Leitung von Ed Partyka.

The End ist Mats Gustafssons neuester Versuch, den Jazz zu überwinden. Mit der Vokalistin Sofia Jernberg und Band gab es röhrende Explosionen wie auch sanft-gurrende Töne. Ohne Endzeitstimmung, doch aufrüttelnd bewies Mette Rasmussen mit Time Travels Through Us mit Ingebrigt Håker Flaten (b) und Chris Corsano (dr), dass freier Jazz und gutes Songwriting sich nicht ausschließen, sondern zu etwas Neuem vermählen können. Zu Beginn hatte das TJH bereits sein Spotlight on Norway gerichtet, u.a. mit dem Trio des quirligen Bassklarinettisten Ville Lähteenmäki. Zum Abschluss von Festival und Länderschwerpunkt nahmen dann mit I Like to Sleep drei junge Norweger den Klub Telakka auseinander: furioser Headbanger-Jazzrock mit Bariton-Gitarre, Vibrafon und Power-Drums.

Herausragender Solist und musikalischer Motor von LIUN + The Science Fiction Band war neben der charismatischen Frontfrau Lucia Cadotsch der Saxofonist Wanja Slavin. Neue improvisierte Musik mit Schwerpunkt Komposition ist kein Widerspruch. Satako Fujiis Tokyo Trio spielte inspiriert und mit großem Sinn für akustische Klänge – ihre hochkonzentrierten Begleiter: Takashi Sugawa (b) und Ittetsu Takemura (dr). Das Ramón Valle Quintet sorgte für eine superaktuelle Version des Cuban Jazz, vor allem durch die Spielfreude des Bandleaders und des Bassisten Gaston Joya, eines der besten Kubas. Mitreißend auch GRIO (Grand Impérial Orchestra) mit kraftvoller Horn- und nicht minder einfallsreicher Rhythm-Section.

Telekka ist jedes Jahr Schaufenster der finnischen Szene. Dort gab es u.a. ein Generationentreffen des freien Jazz: Das Trio Plop mit Mikko Innanen (as, bs), Ville Herrala (b) und Joonas Riippa (dr) traf auf „Junnu“, das ist der Spitzname von Altmeister Juhani Aaltonen (fl). Bird und Ornette waren im Geiste anwesend. Spirits beschwor auch Hamid Drake mit seiner sessionartigen Performance Turiya: Honoring Alice Coltranetrotz einiger zu lang geratener Chants und Spoken Words ein Höhepunkt.

Weit über den Jazz hinaus reicht Tamperes Kultur, z.B. mit der Ausstellung WE im Sara Hildén Museum mit so unterschiedlichen Künstlern wie Thomas Houseago, Nick Cave und Brad Pitt. Werke aus Gips, Bronze, Holz und Keramik (Cave) erzählen die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft. Ein Besuch der finnischen Kulturstadt lohnt sich immer.