Lilian Vieira (Zuco 103)

Canarias Jazz y más

Kanarische Inseln

Von Christoph Giese. Kann man noch leiser und behutsamer Klavier spielen als Gonzalo Rubalcaba an diesem Abend im Teatro Pérez Galdós von Las Palmas de Gran Canaria und dabei doch ganz große Geschichten erzählen? Mit Ausnahme des verstärkten Kontrabasses von Matt Brewer spielt das Trio d´Été des kubanischen Tastenkünstlers in dem großen Saal rein akustisch. Bei Rubalcaba muss man eben leise sein und gut zuhören – und wird dann mit magischer Musik belohnt. Was für ein memorables Konzert bei der 34. Ausgabe von Canarias Jazz y más, dem Jazzfestival auf den Kanaren, das jeden Juli alle acht bewohnten Inseln bespielt.

Im direkt am Stadtstrand Playa de Las Canteras der Hauptstadt gelegenen Alfredo-Kraus-Auditorium zeigt die Katalanin Rita Payés, warum sie derzeit so angesagt ist. Ihren Mix aus spanischer Musik, Jazz und ein wenig Flamenco serviert die junge Sängerin, Posaunistin, Gitarristin und Komponistin mit Mutter und Ehemann an den Gitarren in ihrer Band mit einnehmender Natürlichkeit und Riesenstimme.

Jorge Pérez (Patax) © lazy afternoon

Keine Entdeckung mehr, da sie seit über 40 Jahren gemeinsam singen, aber immer noch faszinierend zu erleben sind die sechs Herren des Vokalensembles Take 6, die im vollbesetzten Teatro Cuyás in der Altstadt von Las Palmas de Gran Canaria zeigen, dass es wohl kein faszinierenderes Instrument gibt als die menschliche Stimme. Alles können sie damit machen: punktgenau zwischen Gospel, Jazz, Soul und Pop polyphon singen und dabei noch Instrumente imitieren und Beats erzeugen. Es reichen ihnen sechs Mikrofone für ihr A-cappella-Erlebnis. Und es geht sogar unverstärkt, wie ganz am Schluss bei einer Gänsehaut erzeugenden Lobpreisung an den Herrn mit dem Wort „Hallelujah“. Ein Jazztrio um den deutschen Pianisten Thilo Wolf sowie das Philharmonische Orchester von Gran Canaria gingen fast ein wenig unter bei der ganzen Strahlkraft und Bühnenpräsenz der sechs Sänger.

Am letzten Festivalwochenende bietet Canarias Jazz oft aufregende Gratis-Konzerte auf dem Santa-Ana-Platz in der Altstadt von Las Palmas. Da muss eine Band schon etwas zeigen, damit Stimmung aufkommt. Zuco 103 taten genau das. Lilian Vieira, die charismatische brasilianische Sängerin des Sextetts aus den Niederlanden, tobte über die Bühne und hatte das rasch tanzende Publikum schnell um den Finger gewickelt. Ihr Mix aus jazzlastigen und funkigen brasilianischen Sounds, Tanz- und Elektrobeats – verführerisch und mitreißend!

Auch die Musik von Patáx ist Energie pur. Die mit Kubanern, Argentiniern und Spaniern besetzte Band des Perkussionisten Jorge Pérez treibt den Begriff Fusion auf die Spitze. Schon mal „Kiss“ von Prince, „Billie Jean“ von Michael Jackson oder Beatles-Songs mit Flamenco, Funk, Rock, Jazz und afrokubanischen Rhythmen zusammengerührt gehört – eine stimmgewaltige Sängerin und eine Flamenco-Tänzerin inklusive, die ihre Füße in rasend schnellen Rhythmusfolgen auf den Boden des hölzernen Podiums rammt? Ein durchaus interessantes Konzept, aber nicht alle Arrangements der berühmten Vorlagen zünden gleich gut. Auch die US-Band Kennedy Administration um Sängerin Kennedy müht sich manchmal, um für Stimmung zu sorgen. doch zu beliebig ist ihre Musik. Ein paar Coversongs, eigene Stücke zwischen Soul, Pop, Jazz und R&B – nichts, was man nicht schon so oder ähnlich kennt. Da war die Location ihres Open-Air-Auftritts in Puerto de la Cruz auf Teneriffa aufregender. Das Meer im Blick, laue Temperaturen, Urlaubsfeeling. So lässt sich ein Jazzfestival auf den Kanaren genießen.