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Till Brönner
Herr Rossi sucht das Glück
Nicht nur Herr Rossi sucht das Glück. Sind wir nicht alle auf der gleichen Suche wie die legendäre italienische Zeichentrickfilmfigur, die es im Video zu „Viva La Felicità“ von Till Brönners aktuellem Album Italia zu sehen gibt? Seit Brönner sich vor mehr als 30 Jahren mit seinem Debüt Generations of Jazz in die erste Liga der Jazztrompeter gespielt hat, wird fast alles, was er musikalisch anfasst, zu Gold. Oder jedenfalls: sehr erfolgreich. Da stellt sich die Frage, ob er sein ganz persönliches Glück vielleicht schon gefunden hat.
Von Robert Fischer
Im Buch Talking Jazz, das Till Brönner zusammen mit dem Journalisten Claudius Seidl geschrieben hat, erwähnt er eine Episode, in der er seinen Trompeterkollegen Wynton Marsalis fragt, ob er eigentlich wisse, wie viel Mist über ihn geschrieben werde. Dessen Antwort: „Yeah, I know it all. And it’s all bullshit.“ Darauf angesprochen, antwortet Brönner, er sei damals auf diese Antwort nicht vorbereitet gewesen, habe sie letztlich aber doch erhofft. Denn nur weil man rechnerisch erfolgreich sei, bedeute das ja nicht, dass man nicht mehr infrage gestellt werde. „Das Beste ist eigentlich, wenn du spaltest, wenn die eine Hälfte sagt, das ist das Langweiligste, was du je gemacht hast, und die andere preist es über den grünen Klee.“ Letztlich sei Kontroverse immer gut, fügt er noch hinzu, aber er habe eines festgestellt: „Wenn man wirklich genau erzählt, was in einem vorgeht, musikalisch und künstlerisch, wird es meistens auch am erfolgreichsten.“

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Nun arbeitet Till Brönner aber nicht nur an seiner Musik, sondern schon auch an seinem Image. Wobei er wenig dem Zufall überlässt. In den Promo-Unterlagen zu seinem neuen Album heißt es, er sei einer der wenigen Brückenbauer, der Jazz einem breiten Publikum in hochklassiger Produktion und Sound sowie interessanten Arrangements näherbringe. Auf die Frage, ob er sich selbst auch so sehe, sagt er, er habe immer großen Spaß daran, sich die Frage zu stellen, ob die Schnittmenge dessen, was viele Menschen gut finden können, und dessen, was er unter der Überschrift einer gewissen musikalischen Integrität anbiete, nicht noch größer sein könne als gegenwärtig: „Ich selber würde, glaube ich, nie etwas machen, was ich nicht bin.“
Dass Italien für Till Brönner eine ganz persönliche Bedeutung hat, konnte man schon in seinem vor einem Jahr erschienen Kochbuch Ciao Roma erfahren. Darin erzählt er von seinen ersten Kindheitsjahren, die er in der Ewigen Stadt verbrachte, und wie nachhaltig ihn diese Zeit bis heute auch musikalisch prägt. In diesem Zusammenhang erwähnt er Mentalitätsunterschiede zwischen unserem protestantischen, aufgeklärten, für eine gewisse Zurückhaltung sorgenden Wesen und der Direktheit, aber auch Furchtlosigkeit, die er in Ländern wie Italien wahrnehme. Dem Jazz tue diese andere Mentalität sehr gut: „Insofern ermuntere ich eigentlich immer jeden aus Deutschland, nicht so viel nachzudenken, sondern einfach zu machen.“
Mit italienischen Gastmusikern, einem italienischen Co-Produzenten und Studioaufnahmen in Rom und Bari ist Italia wie die meisten Alben von Till Brönner ein aufwendig produziertes Konzeptalbum und als solches genauso aus der Zeit gefallen wie die längst den Wettbewerb gegen das allgegenwärtige Streaming verloren habenden physischen Produkte Vinyl und CD. Er aber leistet sich beides – und kann es sich wohl auch leisten. Allerdings zeichnet auch Till Brönner ein düsteres Bild von der aktuellen, die großen Tech-Firmen unverhältnismäßig bevorteilenden Situation, in der sich die Branche befindet und die vor allem für junge Musiker und Newcomer sehr bedenklich sei: „Wir sind an der Schwelle dazu, dass das, was in Social Media oder in das äußere Paket hineingesteckt werden muss, schon beginnt, potenziell den Inhalt zu beschädigen. Weil für den Inhalt immer weniger und für die Verpackung immer mehr Zeit aufgewendet werden muss. Wer seiner Integrität nach wie vor den Vortritt geben möchte, der muss eigentlich entscheiden, sich trotz dieser Erwartungen und trotz dieser Entwicklungen uneingeschränkt der Musik und dem Inhalt zu widmen, um dort nicht qualitative Abstriche zu machen. Und das tun, denke ich mal, auch eine ganze Menge Künstlerinnen und Künstler zwangsläufig.“
Bleibt die Frage nach dem individuellen Glück. Herr Rossi, wissen diejenigen, die Bruno Bozzettos Zeichentrickserie kennen, sucht sein Glück mithilfe einer Fee, die ihm ermöglicht, durch Raum und Zeit zu reisen. Was meint Till Brönner dazu: Gibt es das eine, große Glück überhaupt, oder geht es nicht vielmehr um ein paar Glücksmomente, die wir immer mal wieder erleben dürfen? Und falls ja, welche wären das in seinem Fall?
„Das sind genau die gleichen Momente, die jeder andere Mensch auch als das größte Glück empfindet. Und weil wir eben davon sprachen, wie viel Zeit in das Scheinen und weniger in das Sein hineinfließt, gehört natürlich zu Herrn Rossi auch die Erkenntnis, dass es schon längst da ist, das Glück. Das ist ja auch das Schöne an der Idee mit der Fee, dass er sich zum Schluss vor Heimweh nicht mehr halten kann und zurück in seine eigentliche Welt möchte. All das ist hochphilosophisch und war damals schon der Grund, warum dieser Comic für Jung und Alt gleichermaßen funktionierte.“
Aktuelles Album:
Till Brönner: Italia (earMUSIC / Edel)



