Reykjavík Jazz

Island

© Terezia Rotterova

Von Angela Ballhorn. (Jazz-)Musiker ist ein komplizierter Beruf in Island. Gigs gibt es nicht viele und außerhalb von Reykjavík noch weniger. Musiker dagegen gibt es viele, die eine stilistische Bandbreite von Straight Ahead über Latin bis Balkan abdecken. Das Reykjavík Jazz Festival Ende August ist eine Feier der eigenen Szene und ein Fenster nach außen. Hier werden neue Projekte vorgestellt, Kooperationen mit Musikern aus anderen Ländern gezeigt und neue Alben veröffentlicht. Das Fest der Vielfalt im Land aus Feuer und Eis überraschte in diesem Jahr u.a. mit kubanischer Musik von hoher Qualität. Vor allem Barrio 27 begeisterte mit blutjungen Musikern und enormer Spielfreude.

© Terezia Rotterova

Auf der Bühne wurde nicht nur ein musikalisches Süppchen gekocht. Der Keyboarder Tómas Jónsson – 25 Prozent der in Deutschland inzwischen gut bekannten Band ADHD – kochte Gumbo. Wortwörtlich. Mit dem 81-jährigen Þórir Baldursson an der Hammondorgel als Gast und einem mikrofoniert vor sich hinblubbernden Südstaaten-Gumbo am Bühnenrand.

Das Duo Fermented Friendship spiegelte ein leises Gespräch, entstanden aus langen regelmäßigen Proben von Pianist Magnús Jóhann und Saxofonist Óskar Guðjónsson. Zwei Musiker, die einander zuhören und ein ausdrucksstarkes Gespräch führen, gepaart mit sehr sensiblem Klavieranschlag. Duo und Quartett waren beliebte Besetzungen des Festivals, mutig und alleine gingen der Bassist Kham Meslien mit seinen Storys und erstmals auch die Gitarristin Róberta Andersen auf die Bühne. Letzteres Programm schillerte, funkelte und zerbarst zwischen Gitarrensounds und Elektronik.

Das norwegische Bliss Quintet überzeugte mit ausdrucksstarken Solisten und für die jungen Musiker sehr ausgereiften Kompositionen. Kaum zu glauben, dass die Band schon seit sechs Jahren besteht und etliche Konzerte auf dem Buckel hat. O.N.E. aus Polen mussten die erkrankte Bassistin Kamila Drabek ersetzen. Die Schlagzeugerin Patrycja Wybrańczyk lud dafür den Baritongitarristen Þorkell Ragnar ein, mit dem sie schon in der Band C4therine der Sängerin Björg Blöndal, einer der spektakulären Bands des Festivals, auf der Bühne gestanden hatte. Fast nahtlos und mit immenser Energie brachte sich der Musiker in die Frauenband ein.

Hammondorgeln sind für die Isländer wichtig. ADHD kam nicht ohne ein Exemplar aus, und Sara Magnúsdóttir präsentierte ihr aktuelles Album A Place To Bloom auf ihr. Schwerlich transportabel wäre das Ungetüm für das Konzert des Bassisten Sigmar Matthiasson im Þingvellir-Nationalpark gewesen. Die umgebende Landschaft und die Stücke mit Weltmusikelementen vom Balkan und aus der Türkei waren spektakulär. Sunna Gunnlaugs spielte gleich zwei Konzerte, zum einen ein brandneues Klaviertrioprogramm, zum anderen mit der Sängerin Marína die Vertonung von Texten des Dichters Jón úr Vör.

Die Formationen, die aus dem isländisch-europäischen Festival ein internationales machten, stachen heraus: Das australische Klaviertrio Brekky Boy war witzig, groovy und begeisterte das Publikum, und krönender Abschluss war das grandiose Konzert von Cécile McLorin Salvant. Eigentlich war die Sängerin krank, was ihre Stimme ein wenig rau machte, doch sie schonte weder sich noch ihre fulminante Band mit u.a. Sullivan Fortner am Klavier. Stehende Ovationen und Zugaben beschlossen das Festival, anschließend entschwebte leise Björk aus dem Zuschauerraum in die Dunkelheit.