BartolomeyBittmann

Viel drin

BartolomeyBittmann © Stephan Doleschal

Musik braucht die Unzufriedenen. Denn sie versuchen, dem Gewohnten Unerhörtes abzupressen. Wie beispielsweise das Duo BartolomeyBittmann.

Von Ralf Dombrowski

Ganz klar, man kann auch im Orchestergraben Herausragendes leisten. Aber es ist die Welt der anderen, der Dirigenten, Komponisten, Solisten, die man illuminiert. Dem Geiger Klemens Bittmann und dem Cellisten Matthias Bartolomey war das nicht genug. Zwar stellen auch sie ihre Instrumente in den Dienst renommierter Ensembles bis hin zu Flaggschiffen des traditionellen Konzertbetriebs. Aber das ist nur ein Weg, sich mit dem gestalterischen Potenzial zu beschäftigen, das Künstler umtreiben kann. „Wir leben in einer Zeit, in der viele Musiker, die aus der klassischen Szene kommen, ihre Instrumente neu denken und entdecken“, versucht Matthias Bartolomey, den Diskurs zu fassen. „Und auch wir selbst stehen in einer Tradition, die etwa in die Siebziger zurückreicht, wo bereits viel ausprobiert wurde. Darüber hinaus sind wir in regem Austausch mit jüngeren Musikern. Klemens unterrichtet in Graz, ich unterrichte manchmal in Wien oder gebe Workshops, und wir sehen ein großes Bedürfnis klassischer Streicher im Allgemeinen, sich über die üblichen Spielformen hinaus zu entwickeln. Letztlich aber geht es nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern wir wollen nur das machen, was wir auch selbst gerne hören wollen.“

Denn Musik ist heute ein offenes System. Die Unterschiede, wie die einzelnen Künstler mit ihr umgehen, bestehen nicht mehr in der Spielkompetenz, sondern eher in der Haltung, mit der sie sich an ein bestimmtes Repertoire wagen. Und Instrumente sind genügsam, sie folgen dem Willen der Interpreten. „Unser Cello ist von 1727, die Geige aus dem Jahr 1817, und ich wage zu bezweifeln, dass man nicht auch schon in der Barockmusik sehr intensiv mit dem Instrumentarium gearbeitet hat“, stellt Klemens Bittmann fest. „Auch im klassischen und romantischen Repertoire werden die Instrumente ordentlich rangenommen. Was sich bei unserem Repertoire vom üblichen Zugang der Streicher unterscheidet, sind die vielen rhythmischen Möglichkeiten, die wir mit unseren Instrumenten ausloten. Da gibt es einige Techniken, die helfen, unseren klangästhetischen Vorstellungen vor allem von Groove, Rhythmus, Perkussion freien Lauf zu lassen. Wir verfolgen das sehr intensiv, und das fällt oft als Erstes auf, wenn man uns mit Geige und Cello auf der Bühne sieht. Wir aber empfinden es als ganz normal, als einen bestechenden Zugang zum Instrument. Für uns verlangen die Möglichkeiten, die die Geige, das Cello und auch unser drittes Instrument, die Mandola, hergeben, diese Weise der Spielart. Potenzial und Kapazität sind darauf ausgelegt, dass man das richtig ausreizt. Stilistisch wiederum sind wir sehr an Rock-, Metal- oder Jazzeinflüssen interessiert, wo es darum geht, Grenzen auszuloten und in extremere Spieltechniken hineinzugehen.“

Der konsequenten Umsetzung hilft es, in vielen Lagern präsent zu sein. Bittmann hat schon mit Wolfgang Muthspiel gearbeitet und für das radio.string.quartet.vienna die Musik von John McLaughlin arrangiert. Bartolomey hat am Mozarteum sein Handwerk gelernt und mit Ensembles von den Wienern über das Mahler Chamber Orchestra bis hin zum Concentus Musicus Wien gearbeitet. Vor acht Jahren haben sie sich als Duo gefunden, seitdem viel experimentiert, nun das dritte Album Dynamo aufgenommen und noch mehr live gespielt. Die vielfältige Stilherkunft öffnet ihnen nicht nur die Türen der Clubs, sondern auch die der Kulturtempel vom Musikverein bis hin zur Elbphilharmonie. Und sie wirkt zurück auf die eigene Klangvorstellung, die den Natursound der Instrumente als Basis versteht, von der aus es durchzustarten gilt.

Dabei sind BartolomeyBittmann auf ehrgeizige Art konservativ. Klangkosmetik ist tabu, vorgeformtes Material ebenso, alles soll dem eigenen Können entspringen: das Repertoire, das Konzept und die ästhetische Erscheinung. „Wir haben eine gewisse Sehnsucht nach klanglicher Größe, was in der Duo-Besetzung eine Herausforderung darstellt“, erklärt Bittmann weiter. „Wir verwenden keine zusätzlichen Studio-Möglichkeiten und setzen auch bei den Konzerten kein Effekt-Equipment ein. Alles was man hört, ist tatsächlich aufgenommen und entspringt der Spieltechnik und der Art zu komponieren. Es war von Anfang an unser Ziel, Effekte, klangliche Größe, Mehrstimmigkeit durch das Spiel zu erreichen. Das kommt vielleicht bei unserem Dynamo-Programm noch besser heraus als bei den vorangegangenen.“

So brandet die Musik und wogt, bietet dynamische Berge und raffiniert reduzierte Täler, eng komponiertes Miteinander und überschwängliche Solistik, kammermusikalisch Verhaltenes und Ausflüge in neofolkige Gefilde, quasi-rockige Wucht. Am Ende der Reise durch das Terrain der Optionen dann ein liedhaftes Menuett als versöhnlich melodischer Abbinder. Denn Avantgarde sind BartolomeyBittmann nicht. Sie wollen, dass man ihnen folgt, sind Musikanten, nicht Provokateure. Damit werden sie gehört.

Aktuelle CD:

BartolomeyBittmann: Dynamo (ACT / Edel:Kultur)