Megaphon

Von Jan Kobrzinowski

Brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch? Diese Frage haben wir nicht nur rechtspopulistischen Schreihälsen zu verdanken. Die Mitverantwortung dafür, dass sorgfältig recherchierter, interessanter, kritischer Journalismus schrittweise verschwinden könnte, liegt nicht nur bei diesen, sondern auch bei der unseligen Allianz von notorischen Sachzwänglern und wohl auch Leuten, die sich nicht im Klaren sind über die Folgen einer schrittweisen Abschaffung gut recherchierter Berichterstattung, von Feature-Formaten, Hintergrundberichten und nicht zuletzt guter Unterhaltung. Man fragt sich, ob die Verantwortlichen überhaupt wissen, woran sie da sägen? Anscheinend nicht, sonst sähen sie ja, dass ihre eigene Daseinsberechtigung zur Disposition steht. Gute Radio- und auch Fernsehsendungen stehen und fallen mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk, das wissen alle, die unter Schmerzen versucht haben, sich mit den Produkten privatwirtschaftlicher Sender oder Internet-Anbieter anzufreunden.

Nun geschehen solche Dinge im Allgemeinen langsam und schleichend. Der WDR allerdings hat am 1. April dafür gesorgt, dass es auch schnell und schmerzhaft gehen kann. Mit einer radikalen Änderung ist die öffentliche Sendeanstalt nämlich unlängst dem Jazz im Hörfunk zu Leibe gerückt. Weiterhin werde man nach 22 Uhr „Jazz & World“ hören können, wie verlautbart. Was man aber nicht mehr hören wird: Hintergründiges und Einordnendes – eben das, was man Autorenradio nennt. Man werde auch in Zukunft „eine Musikauswahl bieten, die – ausgehend vom Jazz – genreübergreifend ist“, und einen Wechsel „von der monothematischen Autorensendung zur kuratierten und moderierten Playlist“ vollziehen. Schwammiger geht’s kaum! Liebe Leute beim WDR, weder ihr noch andere Radiosender seid Streaming-Anbieter und solltet euch auch nicht als solche versuchen. Auswählen, was man gerade an Musik hören will, kann ein kritisches Jazzpublikum selbst, aber recherchieren, interviewen, hinter die Kulissen (nicht nur der Szene NRW) blicken, einordnen – das können nur Fachjournalisten, denn die haben das gelernt. Viele der betroffenen Autoren haben sich bereits zu Wort gemeldet und dabei sicher nicht nur an ihre eigenen Einbußen gedacht (sie sind freie Mitarbeiter und von heute auf morgen ihrer Aufträge enthoben), sondern ganz zu Recht Zweifel an Überblick und Verstand der Verantwortlichen geäußert.

Barry Guy – Jazz im Mozartsaal © Francesca Pfeffer

 

Jazz im Mozart-Saal 2019. Nicht nur Charlie Haden zeigte einst mit Not in Our Name klare Kante gegen US-amerikanische Politik. Auch hierzulande äußern sich Musiker dezidiert politisch: Zwischen September 2019 und Mai 2020 offenbaren Barry Guy & The Blue Shroud Band, Das Kapital, Jan Klares 1000 und Hans Lüdemanns TransEuropeExpress in Frankfurts Alter Oper „menschliche Haltungen, mit denen sie ihre Hörer zu eigenen Gedanken und Haltungen auffordern wollen.“

JAZZTHETIK-Autor Olaf Maikopf ist jetzt Jurymitglied beim Preis der deutschen Schallplattenkritik in der Kategorie Electronic & Experimental.

Der JUNO Award, Kanadas wichtigster Musikpreis, geht in diesem Jahr an Laila Biali. Die kanadische Sängerin, Pianistin und Songwriterin setzte sich in der „Vocal Jazz“-Kategorie gegen Diana Krall & Tony Bennett und Holly Cole durch.

Das Trio LBT um den Münchner Pianisten Leo Betzl gewann mit seinem mitreißenden Akustik-Trance-Techno-Jazz den Nachwuchs-Preis des Burghauser Jazzfestivals.

Den 2. ACHAVA Jazz Award der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar gewann das Miguel Zenón Quartett. Am 28.9. wird der mit 11.000 Euro dotierte Preis im Rahmen der ACHAVA Festspiele übergeben.

www.achava-festspiele.de

70 Jahre analog. Seit 1949 existiert das älteste privat geführte Tonstudio Deutschlands, und seit den 60er Jahren gibt es die Bauer Tonstudios im umfunktionierten Kino in Ludwigsburg-Eglosheim. Hier entstanden und entstehen legendäre Live-Mitschnitte und Studiotakes.

Guten Abend, Kraftwerk, Guten Abend, Stuttgart!“ – 20.7.2018, Schlossplatz Stuttgart, 21.50 Uhr Ortszeit: Mittels Zuschaltung aus der Raumstation ISS in 400 Kilometern Höhe jammt der ESA-Astronaut Alexander Gerst mit der Band Kraftwerk zu deren Song „Spacelab“. 7.000 Jazzopen-Besucher sind live dabei. Für dieses denkwürdige Ereignis erhielt Veranstalter Opus nun den PRG Live Entertainment Award 2018, Kategorie Konzert.

Das Wolfi Jazz Festival findet vom 26.6.-30.6. vor historischer Kulisse statt: im Fort Kléber vor den Toren Straßburgs. Im Festival-Dorf gibt es Kulinarisches, Blaskapellen, Straßentheater etc. Im Festzelt spielen internationale Größen wie Marcus Miller, Lisa Simone und Ibrahim Maalouf.

www.wolfijazz.com

Alexander von Schlippenbach, dessen Trio eingeladen war, auf verschiedenen US-Festivals zu spielen, durfte nicht in die USA einreisen. Die US-Botschaft hatte dem 81-jährigen Berliner Pianisten und Träger des Bundesverdienstkreuzes das Arbeitsvisum verweigert – und das bis heute ohne Angabe von Gründen…

David Murray © Fabrice Monteiro

 

Jazz in E. Nr. 25 – in Eberswalde natürlich. Unter dem Motto Ritual bietet das „waghalsige Festival in Ostbrandenburg“ nach Himmelfahrt ein Festival aktueller Musik im Paul-Wunderlich-Haus mit I Am Three, Murray / Håker Flaten / Nilssen-Love, Helmut Joe Sachse u.a.

www.mescal.de

Martin Tingvall ist der Gewinner des Deutschen Musikautorenpreises in der Kategorie Jazz/Crossover.

Toningenieurs-Legende Jan Erik Kongshaug erhielt den TONOs Formidlerpris 2019 für einzigartige Verdienste um (nicht nur) die norwegische Musik. Den Preis der norwegischen Verwertungsgesellschaft nahm sein Sohn Espen auf dem Kongshaug-Festival in Oslo für seinen wegen Krankheit verhinderten Vater entgegen.

Virtuose auf dem Hackbrett: Den RUTH-Weltmusik-Hauptpreis des Rudolstadt-Festivals 2019 erhält Rudi Zapf für Volksmusik, die Klänge aus aller Welt integriert. Weitere Preise gehen an Gankino Circus, Siegfried Maeker und The Sephardics. RUTH ist mit insgesamt 11.500 Euro dotiert. Verleihung und Preisträgerkonzerte am 6.7. auf dem Festival.

www.rudolstadt-festival.de

Bereits am 27.9.2018 haben wir den ersten Preisträger des „Kathrin Lemke Scholarship for Young Jazz Improvisers“, kurz „Kathrin-Preis“, bekanntgegeben. Es ist der 1985 geborene Perkussionist Joss Turnbull. Die Scholarship besteht in einer vollfinanzierten Werkstattphase im Jazzinstitut Darmstadt. Am 24.5. findet das Preisträgerkonzert im neuen Darmstädter Musikclub statt.

www.jazzinstitut.de

Ibrahim Keivo – ابراهیم کیفو

 

Aktueller denn je: Das 15. Morgenland Festival Osnabrück ermöglicht die Begegnung mit dem anderen als ein komplexes, mal verwandtes, mal inspirierendes Fremdes. Vom 14.-29.6. steht Osnabrück in Lagerhalle, Museumsquartier, Kirchen und Kunsthalle völlig unter dem Motto Middle East meets West. Programm von Duo bis Großbesetzung siehe Terminteil.

www.morgenland-festival.com

Olivia Trummer © Ronald Gittel

 

Die Pianistin und Sängerin Olivia Trummer erhielt den mit 15.000 Euro dotierten Jazzpreis Baden-Württemberg 2019 für „genuines Jazzspiel und ihren ausdrucksstarken Gesang“.

Die Sozialwissenschaftlerin Laura Block will in der Union Deutscher Jazzmusiker seit Jahresanfang als Projektleiterin zum Thema Gleichstellung von Frauen deutliche Zeichen setzen und „gemeinsam mit einer breiten Allianz aus dem Jazzbereich u.a. eine stärkere Berücksichtigung von Frauen in Gremien und Ämtern, eine vielfaltsbewusste Musikpädagogik und mehr Förderprogramme für Frauen und Mädchen im Jazz“ durchsetzen.

www.u-d-j.de

Janning Trumann © Patrick Essex

 

Trumann-Story. Die Tangible Music Label Nights am 18./19.5. wollen „Musik greifbar“ machen. Auf seinem Label mit Digitalvertrieb veröffentlicht der Kölner Posaunist Janning Trumann seit 2018 Jazz und improvisierte Musik vor allem aus der aktuellen Kölner Szene. Tangible präsentiert im Kölner Stadtgarten und im domicil Dortmund vier spannende Bands aus eigenem Portfolio (siehe Termine).

www.tangible-music.net

Unter ungeklärten Umständen starb im März der kanadische Gitarrist Justin Haynes mit nur 46 Jahren. Er spielte mit u.a. Jean Martin und Anthony Braxton und arbeitete ehrenamtlich mit autistischen Kindern. Haynes war zum Ende seines Lebens obdachlos.

Eine Verjüngung gibt es im Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Jazz Niedersachsen. Mit fünf neuen jungen Vorstandsmitgliedern geht die LAG in die Zukunft. Erster Vorsitzender ist Peter Schwebs, zweite Vorsitzende die Sängerin/Medienwissenschaftlerin Sina-Mareike Schulte.

Ein herzlicher Glückwunsch zum 30-jährigen Bestehen geht an den Jazzclub Singen. Ein attraktives Programm lohnt sich, denn auch 2018 erhielt der im Kulturzentrum GEMS beheimatete Verein den APPLAUS.

www.jazzclub-singen.de

Gratulation zum 20-Jährigen an Patricia Dietz und ihre Agentur Peculiar.

www.howpeculiar.de

Es kommt vor, dass zwei Jazztheten einander nahekommen ;-). Herzliche Glückwünsche an die JAZZTHETIK-AutorInnen Verena und Thomas zur Hochzeit!

Der von der Zürcher Kantonalbank ausgelobte höchstdotierte Jazzpreis der Schweiz, der ZKB-Jazzpreis, gibt die Nominierten bekannt: AA Trio, Lea Maria Fries’ 22° Halo, Yumi Ito Orchestra, Clemens Kuratle Murmullo, MaxMantis, Arthur Hnatek Trio. Das Finale findet beim ZKB Festival am 9.5. im Moods statt.

www.jazzpreis.ch

Die Académie du Jazz übergab dem Schweizer Posaunisten Samuel Blaser den European Musician Prize 2018 im Rahmen einer Hommage an Michel Petrucciani beim La Seine Musical in Paris.

No Tongues

 

Like a Jazz Machine 2019 in Dudelange/Luxembourg vom 16.-19.5. Die 8. Ausgabe im benachbarten Herzogtum ist wieder üppig mit internationalen wie einheimischen Musikern besetzt.

www.jazzmachine.lu

Benny Golson

Das 10. Ystad Sweden Jazz Festival vom 31.7.-4.8. an Schwedens Südküste wartet mit einem umfangreichen Line-up des internationalen Jazz auf und begrüßt Benny Golson als Ehrengast. Bereits Anfang Juni hält Svensk Jazz dort eine Jazz-Konferenz (Jazzriksdag) ab.

www.ystadjazz.se

Den diesjährigen EJN Award for Adventurous Programming des Europe Jazz Network gewinnt das Jazz Fest Sarajevo. Das Festival in Bosnien und Herzegowina geht im November 2019 in seine 23. Runde.

www.europejazz.net

www.jazzfest.ba

Kyle Eastwood

 

Jazzfest Bonn 2019. Die ehemalige Bundeshauptstadt ist im Mai für zwei Wochen Bühne für zeitgenössischen kreativen Jazz. Mit 25 Konzerten an zwölf Abenden feiert Bonn das zehnjährige Bestehen seines Jazzfestes.

www.jazzfest-bonn.de

Gretchen Menn © Max Crace Studio

 

Die Gitarrentage Schorndorf 2019 vom 29.5-1.6. sind als Kombination aus Festival und Workshop eine Institution. Dafür sorgt das veranstaltende Kulturforum, in dem auch Gitarristen sitzen, daher ist alles perfekt zugeschnitten auf den Schwerpunkt Gitarre.

www.schorndorfer-gitarrentage.de

Am 11.2. konzertierte der Klarinettist Wolfgang Meyer zum letzten Mal gemeinsam mit dem Peter Lehel Quartett im Mannheimer Ella & Louis. Am 17.3. starb der verdiente Musiker und ehemalige Rektor der Musikhochschule Karlsruhe mit 64 Jahren.

ABACAXI

 

Die Bühne für das Unerhörte. Auf Hochtouren laufen die Festival-Vorbereitungen des mœrs-Teams. Vom 7.-10.6. ist Moers wieder Forum „für alle Formen von Musik, die nicht Mainstream sind – Improvisation, New Jazz, World, Avantgarde, zeitgenössische Musik, Minimal Music, Klangkunst, Drone, Electro“.

www.moers-festival.de

Die erste Ausgabe der Monheim Triennale, eines neuen internationalen Musikfestivals für „wegweisende aktuelle künstlerische Positionen der Aktuellen Musik“, wird im Juni 2020 stattfinden. Intendant Reiner Michalke hat die Kuratoren bekanntgegeben: Performancekünstlerin Swantje Lichtenstein, Musikkurator Louis Rastig, Rainbow Robert, Artistic Director aus Vancouver, Creative & Brand Consultant Meghan Stabile (New York) und Journalist Thomas Venker.

www.monheim-triennale.de

Der senegalesische Komponist und Saxofonist des Orchestra Baobab seit 1972, Issa Cissokho, ist tot. Der tief in der Griot-Tradition verwurzelte Musiker, der u.a. mit Youssou N‘Dour spielte, starb in Dakar nach 50-jähriger Karriere.

Der japanische Jazz-Publizist und Produzent Kiyoshi Koyama starb im Februar mit 82 Jahren. Er hatte in zahlreichen Interviews dem japanischen Publikum u.a. amerikanischen freien Jazz nähergebracht und war Herausgeber historischer Aufnahmen, u.a. für Keynote Records.

Jazzkritiker im besten Sinne und nicht eben zimperlich, galt er als einer der ehrlichsten: Ira Gitler. 60 Jahre lang war der amerikanische Journalist z.B. für METRONOME, JAZZTIMES und DOWN BEAT am Ball und hatte die Biographical Encyclopedia of Jazz von Leonard Feather übernommen. Darüber hinaus verfasste Gitler Hunderte von Liner Notes, u.a. für Prestige Records. Gitler starb mit 90 Jahren in New York.

Marvin Gaye

 

Im aktuellen „offiziellen“ Amerika ist doch noch Platz für Respekt gegenüber schwarzer Kultur: Soul-Ikone Marvin Gaye wäre am 2. April 80 geworden. Nun gibt der U.S. Postal Service ihm zu Ehren eine Briefmarke heraus (entworfen von Kadir Nelson).

Die Walker Brothers waren zwar keine Brüder, landeten aber 1966 den No.1-Hit „The Sun Ain’t Gonna Shine (Anymore)“. Einer von ihnen, Scott Walker, eigentlich Noel Scott Engel, starb am 22.3. in London. Als Solokünstler beschäftigte sich der englische Sänger in den 90ern auch mit Film- und avantgardistischer Musik.

Ramon Valle

 

Im Herzen von NRW verbreiten sich vom 18.-23.6. bei den 24. Internationalen Hildener Jazztagen Groove und Jazz-Feeling. Künstler brasilianischer, chilenischer, kubanischer, libanesischer, südafrikanischer und europäischer Herkunft – sie alle haben eines gemeinsam: Sie grooven.

www.hildener-jazztage.de

Errata. Wir sind untröstlich und entschuldigen uns: Im Time Tunnel unseres Autoren Thomas Bugert in Heft 3/4-2019 war von Dave Brubecks „Top-Hit im Fünfachteltakt“ die Rede. Ursprünglich schrieb unser Autor selbstverständlich vom Fünfvierteltakt. Und: „Take Five“ stammt natürlich von Brubecks Saxofonisten Paul Desmond.

Aufräumen: Sonny Rollins mistet aus. Seit er sein Saxofon nicht mehr spielen kann, ist der 87-Jährige dabei, viele persönliche Dinge u.a. der New York Public Library zu vermachen: „Einige Hörner habe ich schon gespendet. Dazu viele Erinnerungsstücke, Poster aus aller Welt, Tapes mit verschiedenen Bands. A whole gang of stuff.”

Nicht nur Sonny Rollins räumt auf. Das Jazzmagazin Ihres Vertrauens wird seine gewohnten Büroräume verlassen und umziehen. Damit wir nicht alles ins neue Heim mitschleppen müssen, veräußern wir unser Archiv, in dem jeweils zehn Exemplare aller bislang erschienenen 288 JAZZTHETIK-Ausgaben gut verpackt in tadellosem Zustand schlummern. Die Hefte können unter jazz@JAZZTHETIK.de bestellt werden, auch in kompletten Jahrgängen. Natürlich nur solange der Vorrat reicht (siehe Inserat in eigener Sache in diesem Heft).