Emil Brandqvist

Meditationen im Familienkreis

© Jakob Brandqvist_

Immer schön langsam – diesen Ansatz vertritt Emil Brandqvist auf seinem neuen Album Interludes, das der Drummer ausnahmsweise nicht im Trio veröffentlicht hat (obwohl seine Kollegen Tuomas A. Turunen und Max Thornberg durchaus ihre Parts zu spielen haben), sondern als alleiniger Kreativkopf. Und der liebt es eben gemächlich. Verträumt. Meditativ. Still. Kurzum ganz so, wie man sich gemeinhin skandinavische Jazzballaden vorstellt.

Von Thomas Kölsch

Neun Stücke, die er zuvor schon digital als „Three Songs Part 1 – 3“ präsentiert hat, hat Emil Brandqvist zusammengestellt und dabei in erster Linie seine Fähigkeiten als Komponist in den Vordergrund gestellt. Und die sind zweifelsfrei bemerkenswert. Wenn auch etwas repetitiv. Als Schlagzeuger gehört Brandqvist schon seit ein paar Jahren zu den ganz großen Vertretern seines Fachs. Wenn er sich austobt, rastet sein Publikum in schöner Regelmäßigkeit aus, zumal er das nicht so exzessiv und inflationär tut wie manch anderer Jazzer und sich damit als Gegenentwurf zu einem Klischee-Schlagzeuger präsentiert, der sich ebenso gerne im Hintergrund hält und das Spiel seiner Kollegen meisterhaft grundiert und schattiert.

Auf Interludes geht er ähnlich vor, nur dass neben seinen musikalischen Brüdern Turunen und Thornberg diesmal auch die echte Familie an seiner Seite ist. Seine Frau Nina Ewald singt, sein Bruder Martin setzt mit Querflöte, Klarinette und Saxofon Akzente, und sein Vater Håkan beschließt das Album an der Orgel. Selbst das Artwork ist aus dem Kreis seiner Angehörigen heraus entstanden: Sein zweiter Bruder Jakob zeichnet dafür verantwortlich. Erweitert wird diese Konstellation durch Freunde und Bekannte, die vor allem einige Klänge beisteuern, an die sonst nicht zu denken gewesen wäre, etwa die Nyckelharpa oder die Lap-Steel-Gitarre. Muss man halt riskieren. Und im Falle Brandqvist kann man nur gewinnen.

Musikalisch macht Emil Brandqvist, der auf diesem Album auch mal am Klavier Platz nimmt, derweil keine großen Experimente. Schon der Opener „Poem of the Sea“ ist ein zartes Stück, das allerdings zum Ende hin aufblüht und insofern einen idealen Übergang zum treibenden „Skogen“ darstellt, das aber durch die dezenten Pianopassagen mit ihren ständigen Arpeggios entschleunigt wird. Ohnehin jongliert Brandqvist die Dynamik überaus effizient und versiert, zaubert mit „The Living Room Gymnast“ den Kennern die Freudentränen und allen anderen Lachfalten in und um die Augen. Der Grundtenor bleibt dennoch gleich: Hier herrscht Ruhe. Erstaunlicherweise funktioniert das Album auch so und dürfte vor allem jene begeistern, die sich in den späten Nachtstunden entspannen wollen.

Allerdings, und das muss auch erwähnt werden, verlieren die Brandqvists und Co. mitunter die notwendige Spannung und drohen, das Gleichgewicht zu verlieren. „Waiting for the Rain“ ist so ein Beispiel, dehnt es doch geradezu die Zeit, während „Shimmering“ locker-leicht aus dem Handgelenk zu perlen scheint, ohne den Balladencharakter zu verlieren. Das sind nordische Weiten in ihrer Reinform. Schade nur, dass der Künstler an dieser Stelle Schluss macht und nicht einmal über sich selbst hinausgeht oder zumindest für einen Augenblick seine Wohlfühlzone verlässt, um als Drummer wachsen zu können. Das Potenzial ist zweifelsfrei vorhanden, doch scheint es Emil Brandqvist nicht darauf anzulegen, die ihm liebsten Klangwelten aufzugeben. Was durchaus nachvollziehbar ist, Interludes aber mitunter etwas monoton erscheinen lässt. Abgesehen von „Skogen“ und vielleicht noch „Shimmering“ sticht kein Stück heraus, vermischt sich alles zu einem einzigen Klangteppich.

Zumindest im Netz gefällt aber auch „Lilac“ mit mehr als vier Millionen Streams, was im Jazz eine nicht unerhebliche Zahl ist. Insofern scheint Emil Brandqvist mit seinem fast schon meditativen Ansatz durchaus einen Nerv zu treffen, und dies spiegelt sich auch in Konzerten mit seinem Trio wider. Dann nämlich versinkt das Publikum willentlich in dem ruhigen Ozean der Töne, den Brandqvist mit nur angedeuteten Konturen umreißt – so wie eben auch auf Interludes. Wer sich darauf einlassen kann, wird von der Musik getragen, selbst wenn sie nur wie eine dünne Membran wirkt. In dieser Hinsicht erweist sich Emil Brandqvist als überaus konstant, und so dürfte schon klar sein, in welche Richtung das nächste Trioalbum gehen wird, dessen Veröffentlichung nur eine Frage der Zeit ist und das die logische Fortsetzung von Interludes sein werden dürfte. Mit einem dezenten Drummer, für den die Melodie und die Ruhe immer an erster Stelle stehen werden. Schon das ist aller Ehren wert.

Aktuelles Album:

Emil Brandqvist: Interludes (Skip Records / Soulfood)