Makhathini Nduduzo © Schindelbeck

Enjoy Jazz

Rhein-Neckar-Region

Von Frank Schindelbeck. Ein Vertreter des Enjoy-Jazz-Kuratoriums meinte kürzlich, Enjoy Jazz sei vielleicht das größte Jazzfestival der Welt. Zugestanden, das Festival ist eine der umfangreichsten Konzertreihen unter dem großzügig definierten Dach des Jazz. Für Festivalchef Rainer Kern ist die Veranstaltung zudem ein „Diskurs-Festival“. Stichworte wie Gender, Intersektionalität, gesellschaftlicher Zusammenhalt ohne Diskriminierung spielten eine wichtige Rolle bei einigen Gesprächsveranstaltungen.

In der Praxis stellt sich der typische Festivalbesucher sein kleines Privatfestival zusammen. Lieblinge, die regelmäßig beim Festival auftauchen, Unbekannte, auf die man sich neugierig einlässt, Musikerinnen und Musiker, von denen man einfach nicht genug hören kann, und natürlich die Local Heroes. Vom elegischen Modern Jazz der Saxofonistin Alexandra Lehmler über die epische Klanglandschaften entwerfende Band Black Project bis hin zum Organisten Jo Bartmes, der im neuen Projekt Submaroon als Sänger mit Rocktönen überraschte.

Loemsch Welch © Frank Schindelbeck

Alljährliche Konstante des Festivals ist die Carte Blanche des Schlagzeugers Erwin Ditzner. Diesmal mit Philip Zoubek (p) und Sebastian Gramss (b) in der Alten Feuerwache Mannheim. Ein nicht unerwarteter Glücksgriff, denn zu hören war eine der originellsten und freiesten Performances des Festivals. Aber auch das zeichnet Enjoy Jazz aus: Es bringt kontrastreiche Musik in die beteiligten Häuser. Freies Carte-Blanche-Experiment versus mitreißende African Groove Music von Nduduzo Makhatini. Gesanglicher Schönklang von Silje Nergaard versus Audrey Chen von Mopcut, die mit ihrem Noisy-Ansatz bestens in der kleinen Reihe „Extreme Music“ aufgehoben waren. In dieser mutigen Reihe auch der Drummer Fritz Welch: Performer, Spoken-Word-Artist mit Dada-Ansätzen, Gewitztes mit kleinem Schlagzeugbesteck. Das Extreme liegt hier in der anarchischen Haltung zur Musik als Geräusch und nicht im brachialen Sound. Perfekt ergänzt vom kurzfristig als „Vorband“ engagierten Lömsch Lehmann, der mit seinem launigen Solo-Baritonsaxofon-Auftritt kleine Monster im Instrument herum- und herausspringen ließ.

Für einen grandiosen Abend sorgten zwei Bands des Labels International Anthem aus Chicago, das konsequent kreative, leidenschaftliche Musik ohne kommerzielle Anbiederung in Plattenrillen pressen lässt.

Irreversible Entanglements © Frank Schindelbeck

Im Mittelpunkt der Formationen standen zwei Frauen: Die Lyrikerin und Spoken-Word-Poetin Camae Ayewa gibt den Irreversible Entanglements eine außergewöhnliche Stimme, stellt Fragen und klagt an, zu Themen, die sich aus der Geschichte der Schwarzen und dem Widerstand in den USA bis in die heutigen Tage ziehen: Rassismus, Ungleichheit, Gewalterfahrungen. Hier schließt sich der Kreis zum postulierten „Diskurs-Festival“ in der Synthese von Musik und Botschaft. Am Abend darauf die Trompeterin Jaimie Branch mit weniger heiligem Zorn, strahlenden Akzenten auf der Trompete und sogar ohne Scheu vor Mariachi-Hymnen. Begeisternde, sogar tanzbare Musik mit klarer Botschaft: „It’s a song about America, but it’s about a whole lotta places – ’cause it’s not just America where the shit’s fucked up.“