Heikki Hallanoro

Schritt für Schritt zur Heilung

Finnlands einzigen Klavier-Balladisten“ nennt sich Heikki Hallanoro selbst, dabei ist er so viel mehr. Doch Musik war für den studierten Astronomen immer ein sicherer Hafen. Sie half ihm durch seine Kindheit mit einer alkoholkranken Mutter und führte ihn aus tiefer Depression. Mit Soul Songs Vol. 3 führt er seine heilende Soloreihe fort.

Von Angela Ballhorn

Ich habe Astronomie und den Mechanismus der Ringe des Saturns studiert. Mein Professor hat die besten Simulationen in Europa, vielleicht sogar weltweit. Nicht viele Menschen verstehen, was wir machen. Aber ich habe schon immer Songs geschrieben, es ist das Intimste, das du machen kannst. Da mein Professor auch Heikki heißt, war mein Weg schon als Heikki II. vorgezeichnet, der die Arbeit von Heikki I. fortführt. Mit meiner Musik habe ich aber einzigartige Dinge zu geben.“

Doch der Weg zu seinen Soul Songs führte durch ein tiefes Tal. Nach Jahren als Mathe- und Physiklehrer fiel Heikki Hallanoro in ein tiefes Loch, eine schwere Depression, die ihn ein halbes Jahr kein Klavier spielen ließ. „Es gab keine Musik mehr in mir, es war das Schrecklichste. Ich war zu Hause und verfolgte alle Cross-Country-Skiing-Wettbewerbe. Und es war mir klar, dass es auf keinen Fall so weitergehen darf! Ich habe meine alten Songs wieder ausgegraben und etwas gekritzelt, Note für Note. Für mich war die Musik wie ein Gebet. Manchmal wirkt es wie Magie.“

Ein wichtiges Element des Albums ist das Instrument. Seit vielen Jahren nimmt der Pianist im selben Studio auf, dem Wolfbeat Studio in Oulu, zusammen mit dem Toningenieur und Produzenten Pentti Amore. Das Klavier dort ist über 100 Jahre alt, laut Hallanoro hat es ein Gedächtnis wie ein Elefant. Ein Klavier sei wie ein menschliches Wesen, es komme darauf an, was für ein Leben und wie viel Stress es gehabt habe, sagt er. „Es reagiert auf mein Spielen und umgekehrt. Es klingt dunkel und gewaltig. Meine Idee hinter den Soul Songs ist, mich selbst zu öffnen. Die Stücke sind wie eine Meditation. Wir haben die Songs mit einer heiklen Einstellung aufgenommen. Du kannst hören, dass die Mikrofone so nah sind, dass es manchmal knistert. Die Töne verzerren. Das haben wir seit der ersten Aufnahme so gemacht. Das Klavier hat ein Leben für sich, ich wollte den Sound so präsent wie möglich haben. Für mich sind die kleinen verzerrten Noten wie eine Metapher für den Menschen, der durch das Glasdach brechen will.“

Heikki Hallanoro findet seine Melodien in der Natur. Er wandert. Teile seiner Vorgängeralben entstanden auf dem Kumano-SpeichernKodō-Pilgerpfad in Japan. „Wenn ich wandere, summe ich. Wenn du stundenlang wanderst, passiert etwas mit dir, wenn du einfach nur zuhörst. Überall ist Musik. Ich versuche, nichts zu wollen – und die Musik kommt zu mir.“

Die Musik live zu präsentieren, braucht besondere Vorbereitung, denn die ganz persönlichen Songs aus der Intimität des Studios mit dem vertrauten alten Klavier auf die Bühne zu holen, braucht die richtige Stimmung. „Du musst mutig sein. Wenn ich meine Augen schließe und die Musik geschehen lasse, klappt es normalerweise. Das ist das Einfachste und zugleich das Komplizierteste. Dafür brauche ich Schlaf, ich brauche ein Nickerchen vor dem Konzert. Wenn das Konzert um sieben beginnt, muss ich zwischen drei und fünf für mindestens eine halbe Stunde ins Schlummerland gehen. Dann kann mein Gehirn arbeiten. Du musst wach und wachsam sein beim Auftritt, sonst geht es nicht.“

Hallanoros schlichte Songs verbieten es zu bluffen. Sie sind einfach, man kann nichts in ihnen verstecken. Die Melodien im Leben zu finden und diejenigen auszusuchen, die es wert sind, geteilt zu werden, ist schwer. Dafür geht der finnische Pianist wortwörtlich meilenweit. Seine Planung führt ihn schon zur vierten Ausgabe der Soul Songs, die er im Januar aufnehmen will. „Ich habe zwar schon ein paar Songs, aber noch keine Zeit, durch meine Ideen zu gehen und sie zu orchestrieren. Es war für Soul Songs Vol. 3 magisch, da war ich auf den Fjells Skifahren – und es kam diese wunderschöne Melodie, die das Album öffnet und beschließt. Meine Songs sind wie Reisen. Spotify macht es schwierig, da Stücke nicht länger als drei Minuten sein dürfen. Ich mache zwei Songs aus einem, um diese Regeln zu umgehen. Ich mag es wie in den klassischen Werken, dass es ein Eröffnungsthema gibt, das am Ende wieder auftaucht. Meine Melodie zu Beginn der CD verwandelt sich zum Ende des Albums.“

Dass der Pianist seine Stücke durchnummeriert, mag irritieren. Er will aber bewusst keine Denkrichtung durch Titel vorgeben. „Auch wenn es meine Heilungssongs sind, wollte ich kein Mitleid. Die Songs sind wichtig, und ich hoffe, dass sie bei anderen widerhallen. Ein Titel gibt immer eine Idee vor. Bei diesen Alben bleiben Nummern. Nach der Depression war ich frustriert und enttäuscht von Worten, Nummern waren clean.“

Aktuelles Album:

Heikki Hallanoro: Soul Songs Vol. 3 (Mons Records / Galileo)