HÖRBUCHT

NUR NIX VERÄNDERN

Gleiche Masche für immer. Gelernt ist gelernt, was funktioniert funktioniert. Bloß nicht raus aus der Komfortzone! Bequemer wird’s nicht. Routine ist doch was Feines. Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Ich versteh die Frage nicht. Mit dem Altern kommt das Alter, die Weisheit wird gleich mitgeliefert. Grenzdebiles Grinsen. Das SUV gleitet galant durch den Straßenverkehr, der Müll wird an der Ampel unauffällig aus dem Fenster geschnippt. Klimawandel? Fridays for Future? Ich versteh die Antwort nicht. Lebbe geht weider – life goes on. Nowhere Man. Get Back. I Should Have Known Better. We Can Work It Out. Alles im Wandel. In der Hörbucht

Björn Simon

Frank Goosen

The Beatles

tacheles! / Roof

4 Sterne

Über die Beatles ist mittlerweile Literatur in Regalkilometerlänge erschienen, kein Wunder, denn es handelt sich ja schließlich um die einflussreichste und erfolgreichste Band, die es je gegeben hat. Was kann Ruhrgebietspoet Frank Goosen da noch beisteuern?

So einiges. Er schildert nämlich einfach, wie die Beatles in den 80er Jahren in sein Leben traten, was durchaus erstaunlich ist, da Goosen – Jahrgang 1966 – erst vier Jahre alt war, als die „Fab Four“ sich bereits getrennt hatten. Ihr Schatten hing allerdings gigantisch über den siebziger Jahren, und auch als Goosen sie für sich entdeckte, waren sie immer noch sehr, sehr groß. Das Leben von damals schildern kann Goosen bekanntlich wie kaum jemand sonst, nicht umsonst schreibt er seit Jahren kaum etwas anderes als nostalgiegetränkte Romane, die ihre Basis immer im Ruhrgebiet seiner Jugend haben (Goosen ist in Bochum aufgewachsen, falls jemand das noch nicht wissen sollte). The Beatles ragt allerdings meilenweit daraus hervor, denn selten lagen literarisches Sujet – die größte Band der Welt – und die Goosen-Welt weiter auseinander. Wie er das auf einen Nenner bringt, ist schlicht ein Geniestreich.

Dabei wird zum Beispiel deutlich, dass in Deutschland nicht das weiße, sondern das rote und das blaue Album für die Rezeption der Beatles entscheidend waren. Goosen schildert, wie wichtig damals Plattencover waren und wie akribisch sie studiert wurden – er bemerkt sogar den Deppen-Apostroph „LP’s“ auf dem Aufkleber des roten Doppelalbums –, wie stark der Mythos schon wenige Jahre nach der Auflösung der Band war und wie tief sie in das kollektive Bewusstsein eingedrungen war. The Beatles ist weniger eine Schilderung der Bandgeschichte (warum auch?) oder eine Analyse der Musik – wie für jeden vernünftigen Teenie war John Lennon Goosens Lieblings-Beatle –, sondern ein detailliertes und präzises Gesellschaftspanorama, das auch deutlich macht, wie sehr die Liverpooler sogar die Menschen im doch recht weit entfernten Ruhrgebiet verändert haben: „Die Beatles allein hatten die Farbe in unser Leben gebracht“. Den mittleren Teil des Hörbuchs allerdings, der Goosen ins Liverpool der Gegenwart führt, hätte sich der Autor komplett sparen können: Auf fremdem Terrain, fernab von Bochum, versagt sein kreativer Funke.

Sonst irritiert einen höchstens, wie nostalgisch Goosen schon als Teenager war. Der Rezensent ist ein paar Jahre vorher im Ruhrgebiet aufgewachsen, aber auf den Feten, auf denen ich war, lief nicht „Satisfaction“ von den Stones – das war für uns Opa-Musik –, sondern die aktuellen Hits von The Police, Fehlfarben oder Ideal. Aber die aufrührerischen Zeiten von Punk und New Wave sind an Frank Goosen anscheinend völlig vorbeigegangen.

Rolf Thomas

Dieter Nuhr

Kein Scherz!

WortArt / Random House Audio

3,5 Sterne

Kein Scherz von Dieter Nuhr

Dieter Nuhr kriegt es von allen Seiten ab. Linksradikale, Rechtsradikale, Islamversteher, Klimaschützer – alle arbeiten sich an dem Kabarettisten aus Düsseldorf ab. Viel Feind, viel Ehr. Hat Nuhr also in vielem, was er sagt, recht? Nun ja. Sein jüngstes Programm Kein Scherz!, live aufgezeichnet in München, zeichnet jedenfalls recht präzise die Weltanschauung Nuhrs nach, die er auch reichlich, viele finden überreichlich, in der ARD in zahlreichen Sendungen vertritt. Demnach leben wir in der besten aller möglichen Welten. Nuhr vertritt gegen die öffentliche Meinung der Schwarzseher – sowohl die jungen Klimaretter als auch die AfD-Wutbürger warnen ja vor dem Untergang der Welt bzw. des Abendlandes – einen bürgerlichen Optimismus, der zu Recht darauf hinweist, dass sich in den vergangenen dreißig, vierzig Jahre auf diesem Planeten vieles verbessert hat: Der Rhein ist sauberer als 1980, demokratische Rechte, der Mindestlohn, die Emanzipation von Schwulen und Lesben. Nuhr weiß natürlich, dass er damit provoziert, vergisst aber leider dabei, dass die Feier des Status quo noch kein Programm für den Fortschritt der Menschheit ist – Verbesserungen werden vielmehr von Menschen angestoßen, die nicht finden, dass alles im Lot ist.

Davon abgesehen stellt sich die Frage: Ist Nuhr überhaupt noch witzig? Ich finde schon. Sentenzen wie, dass man ihm bei einem Wasserrohrbruch auch eine feministische Klempnerin schicken dürfe, solange sie ihm nicht den Wasserhahn ab- und stattdessen eine Ritze einbaut, zeugen zumindest von einer munteren Vorstellungskraft. Der Ehrgeiz, Geschlechtsunterschiede zu überwinden, stößt bei Nuhr auf Verständnislosigkeit – „Mädchen kratzen, Jungs hauen mit der Schüppe“, hat er mit erstaunlichem Biedersinn festgestellt. Zugutehalten muss man ihm aber, dass er zumindest für Toleranz plädiert. Toleranz sei aber nicht, „wenn ein Veganer toleriert, dass ich auf einer Party Fleisch esse“, sondern wenn man „mit einem präkolumbianischen Totem, einem Raben und einer Plastikfigur aus Der König der Löwen“ zusammenlebt, „ohne dass in der Öffentlichkeit noch irgendjemand daran Anstoß nimmt“. Für nicht tolerierbar halte ich vielmehr, dass ein minderbegabter Komiker wie Ingo Appelt in der Sendung Nuhr im Ersten schon seit Jahren mit durchgezogen wird.

Rolf Thomas