Von Jan Kobrzinowski.
Es ist schon fast eine Litanei. Jazzfestival Münster? Ausverkauft. Ein liebgewordenes Ritual Jahr für Jahr; es ist am Ende fast unmöglich, nicht zu lobhudeln, während Fritz Schmücker sich schelmisch darauf freut, allen an seinem ausverkauften Haus Beteiligten zu danken. Das Patentrezept: Man verzichte ganz auf große Namen, nehme mindestens eine Premiere (Eric Schaefers Ticket to Osaka), eine Formation der besonderen Art, jung und gerne etwas lauter (Mopo) – und zum Schluss etwas Sicheres, dennoch sehr Eigenständiges (Vadim Neselovskyi Trio).
Bandleader Eric Schaefer strahlte explosiv entspannte Strenge aus, er trommelte traumwandlerisch und transformierte Disziplin in etwas Lustvolles. Japan, um das es hier ging, tauchte nur mehr anekdotenhaft auf, selbst bei den Soli des außergewöhnlich feinen Klarinettisten Kazutoki Umezu. Und das war gut so, denn so bekam die Musik keinen bemüht ethnischen Anstrich und der Japaner blieb einer von vier Gleichberechtigten, denen es übrigens anzumerken war, dass sie sich noch nicht so gut kennen. Unsicherheiten in der Themen-Ausführung wurden durch instrumentale Meisterschaft wettgemacht. Ulrike Haage am Klavier: ruhig, zentriert, dennoch impulsiv. Selten erlebt man so „körperliches“ Klavierspiel. Und es war einfach ein Vergnügen, Oliver Potratz’ Sound und Melodik am Kontrabass zu erleben. Alles äußerst spannend und verheißungsvoll.
Von der finnischen Band Mopo wird demnächst in dieser Zeitschrift noch zu reden sein. Klischees wie „Junge Wilde“ und Punk-Jazz bitte beiseite, so wild und punkig sind die nämlich gar nicht, und so neu ist das Konzept Sax, Bass und Drums auch nicht mehr. Hier wirkten sie fast ein wenig gezähmt, als ob sie unter Beweis stellen wollten, dass sie auch ruhiger können. Natürlich sind sie laut, dreckig, kratzig, der Name kommt schließlich vom Moped. Das stinkt, macht Lärm, provoziert und wird gefahren von jungen Menschen, aber sie machen Musik, die auch beim im Schnitt nicht mehr ganz so jungen Münsterschen Publikum Gehör findet. Mopo sind und bleiben eine Entdeckung, vor allem Frontfrau Linda Fredriksson (bs, as). Mopo macht Spaß und weckt Neugier auf die Zukunft des Jazz.
Zum Schluss gab es zunächst eins von mehreren langen, langen Klavier-Intros von Vadim Neselovskyi. Bass und Schlagzeug mussten lange warten, bevor daraus ein Trio wurde. Sicher kein herkömmliches Klaviertrio, sondern ein hochvirtuoses Ensemble, immer um vitale Musik bemüht. Die Spannungsbögen, meist induziert vom Pianisten, wurden bedingungslos mitgetragen von Ronen Itzik (dr) und Dan Loomis (b), ebenbürtigen, großartigen Musikern, die perfekt auf das reagierten, was vom Pianisten kam, mit langen rezitativen, fast festlichen Momenten, die meist in einen immensen Groove mündeten. Und alles wurzelte fest in klassischem Boden, wie vor Urzeiten bei Dave Brubeck, nur mit modernen Mitteln. Vitale Musik für den wachen Geist.
So wurde wie so oft beim Münster Jazzfestival die Gewissheit bestätigt: Da kann meist nichts wirklich schiefgehen, wenn man das Glück hatte, ein Ticket gelöst zu haben oder Journalist zu sein für das alljährlich erste Jazzfestival in deutschen Landen.