jazzahead!

Bremen

© Jan Rathke

Von York Schaefer. Nachdem die jazzahead! 2021 in den virtuellen Raum verbannt war, flankiert von einer Handvoll Geisterkonzerte in einer menschenleeren Arena, war man nun froh, sich wieder leibhaftig an Messeständen, bei Konzerten und am Tresen treffen zu können. „Es gibt eine unglaubliche Erleichterung, dass wir uns alle wiedersehen“, betonte Uli Beckerhoff, einer der beiden künstlerischen Leiter. Und in der Tat, die internationale Jazzszene aus Musiker*innen, Label- und Agenturmenschen sowie Journalist*innen war Ende April zurück in Bremen. 2700 Fachbesucher aus 55 Ländern waren da, rund 100 Konzerte fanden statt, die meisten recht gut besucht. Dort wurde noch häufig Maske getragen, in den angenehm weitläufigen Messehallen verzichteten viele darauf.

Am Stand des Bremer Labels Berthold Records stand die neue Platte des indischen Schlagzeugers Tarun Balani mit dem Titel The Shape of Things to Come. Eine Referenz wohl an Ornette Colemans Album The Shape of Jazz to Come, das 1959 den Weg zum Free Jazz markierte. Wobei momentan anhand von Corona und dem Krieg in der Ukraine vielleicht weniger die Frage nach der Zukunft ansteht als die nach Vergangenheit und Gegenwart. „Wir sind recht gut durch die Krise gekommen“, berichteten die Labelmacher Anton Berthold und Nicholas Bild. Es sei eine neue Konzert-Kooperation mit Radio Bremen entstanden, das erfolgreiche Soloalbum des Gitarristen Frank Wingold würde es ohne Corona womöglich nicht geben. Während Veröffentlichungen vor Corona bei Berthold immer mit einer Tour verbunden waren, ist es heute ein professionelles Video für das Publikum im potenziellen Lockdown.

© Jan Rathke

Neue technologische Innovationen wie Streaming und Online-Konferenzen rückten durch die Krise noch stärker in den Fokus. Die gesamte jazzahead! ist inzwischen eine hybride Veranstaltung aus physischer Präsenz und Virtualität. Themenfelder wie die Nutzung von Künstlicher Intelligenz und die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine bei der Musikproduktion werden immer wichtiger werden.

Auch der Promoter Tobi Kirsch aus Berlin ist recht gut durch Corona gekommen. „Die Menschen wollen neue Musik hören“, sagte er mit Blick auf die Vielzahl an neuen Alben. Die Kehrseite sei allerdings der Rückstau von Veröffentlichungen und bei Tourneen, da die Konzertbranche eher auf bekanntere Acts setze, um sicherer kalkulieren zu können. Dabei war die Unterstützung für die Musikbranche in Deutschland noch vergleichsweise gut, wie sowohl Uli Beckerhoff als auch die Betreiber von Berthold Records betonten. Am Stand der Ukraine zeigte sich Mariana Bondarenko, Managerin des ukrainischen Music Programme, mit einer bewundernswerten Ruhe anhand der Situation in ihrem Land. „Wir wollen auch ukrainische Bands im Showcase-Programm unterbringen“, erklärte sie selbstbewusst. Die Jazzszene sei groß, aber international noch nicht bekannt genug.

© Jan Rathke

Etwas überraschend kam zum Abschluss der jazzahead! die Entscheidung, dass 2023 Deutschland Partnerland wird. Wohl um den Eindruck einer zu nationalen Orientierung zu vermeiden, soll es Koproduktionen mit vier anderen Ländern geben: mit Frankreich, Österreich, den Niederlanden und den USA. Vier musikalische Persönlichkeiten aus Deutschland bauen dafür eigene Bands auf. „So entsteht etwas Neues“, erklärt Projektleiterin Sybille Kornitschky. Man darf gespannt sein.