JazzBaltica

Nils Landgren © Rolf Kissling

Timmendorfer Strand

Von Angela Ballhorn. 2018 musste das JazzBaltica erneut umziehen, die Evers-Werft stand nicht mehr zur Verfügung. Das Festival wanderte in den Kurpark in Timmendorfer Strand. Die Open-Air-Konzerte litten – wie leider oft – unter dem nasskalten Wetter, die Hauptbühne im Seehotel Maritim natürlich nicht. Leider fehlte im abgedunkelten Saal das Am-Meer-Gefühl, man hätte in jedem x-beliebigen Hotel sein können. Für die Logistik ist die neue Location sicher ein Gewinn, aber mit den durch die Bootshalle kreuzenden Schwalben und dem Klackern der Schiffswanten war die Atmosphäre früher maritimer. Dem Publikumszuspruch tat das keinen Abbruch, unglaubliche 17.000 Karten wurden abgesetzt.

Viele altbekannte Gesichter gab es zu sehen – der künstlerische Leiter Nils Landgren hatte Freunde eingeladen. Besonders gefeaturt wurde der schwedische Bassist Lars Danielsson, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert. Gleich dreimal durfte er mit unterschiedlichen Formationen auf die Bühne. In der Band Liberetto liebte das Publikum vor allem Pianist Grégory Privat, der vom donnernden Applaus überwältigt war. Das große Orchesterprojekt mit dem Englischhorn-Solisten Björn Bohlin war spannend, leider tat der Tausch der Konzertblöcke Eva Kruses toller Band nicht gut. Als erster Act wäre ihre On-the-Mo-Band besser angekommen. Eva Kruse musste ohne Soundcheck spielen, und die Oboe in ihrer Band, deren Klang erfrischend anders ist, ging nach dem klanglich ähnlichen Englischhorn im Orchester etwas unter. Das dritte und letzte Geburtstagskonzert zeigte, dass zu viele Köche den Brei doch verderben können – zu guter Letzt waren zwölf Leute auf der Bühne, jeweils zwei Drummer, Pianisten, Gitarristen und Trompeter. Beim Beatles-Stück „Come Together“ war das einfach zu viel.

Ulf Wakenius als zweitem 60er wurde weniger Raum eingeräumt, seine Band mit Bill Evans an Sax und Klavier (!) ging mit Stücken wie Miles‘ „Jean-Pierre“ gut los. Ein unerwartetes Highlight war die lettische Radio Big Band mit ihrem Gastsolisten Randy Brecker, die ohne Dirigent, tight auf den Punkt, dynamisch ausgeklügelt und mit einem Trompeter begeisterte, der bei dem schweren Programm nicht hören ließ, dass er mittlerweile 72 ist. Helge Schneider schob seine Hammondorgel selbst auf die Bühne und zelebrierte sein unfassbares Wissen im Jazzrepertoire. Die NDR Info Radio Stages boten kleine Schätze: Donny McCaslin spielte zum ersten Mal mit Lars Danielsson, aber auch spontan im Quartett mit Ulf Wakenius und Magnus Öström, dazwischen gab es Interviewblöcke.

Mit seiner eigenen Band wanderte Saxofonist McCaslin musikalisch in eine ganz andere Richtung – lautstark, mit viel Energie und Wut im Bauch. Leider musste er mit seiner großartigen Band gegen die Fußball-WM und einen leerer werdenden Saal anspielen. Weitere Kleinodien waren Dieter Ilgs B-A-C-H-Programm, das Konzert von Gitarrist David Grabowski, dem diesjährigen Preisträger des IB.SH Jazzawards, Hendrika Entzian mit ihrem Quartett und die JazzBaltica All Stars, denen Hildegunn Øiseth Stücke auf den Leib geschrieben hatte.

Auffällig war, wie viele Label-Kollegen Nils Landgren auf die Bühne brachte. Dass ACT als einziges Label mit einem CD-Stand vertreten war, passte ins Bild. ACT-Künstler haben unbestritten Qualität, aber ein bisschen mehr Label-Vielfalt täte dem Festival gut.