JazzBaltica

Timmendorfer Strand

Von Angela Ballhorn. Zum diesjährigen JazzBaltica-Festival an der Ostsee gab es ein Wetter, das den Mittsommer so richtig feierte: Sonne bis zum Abwinken, so dass alle Open-Air-Konzerte stattfinden und die insgesamt 19.000 Zuschauer zu den Konzerten flanieren konnten. Der künstlerische Leiter Nils Landgren hatte nicht nur ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, bei dem er – alle Jahre wieder – wie ein Springteufel bei verschiedenen Acts auftauchte, sondern sprang auch noch mit seiner Funk Unit samt Gast Ray Parker Jr. an der Gitarre für den erkrankten Fred Wesley ein.

2019 war das Jahr der Wiederkehrer: Die Perkussionistin Marilyn Mazur brachte mit ihrer Band Shamania geballte Frauenpower auf die Bühne. Sie hatte eine groovende zehnköpfige Band mit Josefine Cronholm, Ellen Andrea Wang und Lisbeth Diers als prominenteste Vertreterinnen zusammengestellt, um ihre beschwörenden Grooves und Kompositionen zu spielen. Für die weibliche All-Star-Band hatte Julia Hülsmann Arrangements ihrer sehr eigenen Stücke mitgebracht. Eva Klesse, die die frischgebackene Mutter Anna Lund am Schlagzeug vertrat, war ein Gewinn für das Ensemble.

Den norwegischen Trompeter Mathias Eick wollte das Publikum gar nicht mehr gehen lassen und erklatschte sich zwei Zugaben, bei der letzten saß Eick alleine am Klavier. Susan Weinert nutzte die spezielle Atmosphäre der runden Trinkkurhalle für ihr neues Rainbow Trio mit Klavier, Bass und Gitarre, und Asja Valcic (cello) und Klaus Paier (acc) zogen nachts vom Strand in den windgeschützten Open-Air-Bereich um und feierten zehnjähriges Duo-Bestehen. Für Jörn Marcussen-Wulff, den Leiter der Bigband Fette Hupe, ging ein Traum in Erfüllung: Als Teenager und Jazzfreak war er früher nach Salzau geradelt – jetzt stand er umjubelt mit seiner Band auf der großen Konzertbühne im Maritim-Hotel.

Ein absolutes Festival-Highlight war – auch nicht zum ersten Mal – das Trio von Marcin Wasilewski. Sein subtiler Klavieranschlag ist immer wieder unfassbar, und dass sein Trio mehr als 20 Jahre zusammenspielt, ist deutlich hörbar. Das neue Super-Klaviertrio Rymden mit Bugge Wesseltoft, Dan Berglund und Magnus Öström war für mich im Zeitplan falsch gesetzt, zu ungewohnter Mittagszeit war mir die komplexe akustische, mit Electronics durchsetzte Musik noch zu unausgegoren. Ebenfalls ein Wiedergänger war Jan Lundgren mit Mare Nostrum. Die mittlerweile dritte Auflage des Pianisten mit Paolo Fresu und Richard Galliano spielte so ergreifend, dass spätestens bei Michel Legrands „Windmills of Your Mind“ die Augen feucht wurden. Der Trompeter Matthieu Michel hätte die große Bühne verdient gehabt, sein Duo mit dem Pianisten JC Cholet bestach durch Spielfreude und Witz. Der diesjährige Preisträger des IB.SH JazzAward, der Bassist Vincent Niessen, präsentierte ein sehr reifes Konzert seines Quintetts.

Festival-Rausschmeißer war eine laute Kooperation – Gitarrist Arne Jansen hatte bei einer Afrika-Tour mit dem Orchestra Baobab aus dem Senegal gespielt. Das funktionierte gut, die vielköpfige Truppe wurde für ein einziges Konzert nach Europa geholt. Die Afro-Salsa-Night ging für das Publikum auf, die Musiker hatten Spaß, aber eine Symbiose oder ein kultureller Austausch war kaum zu erkennen. Leider kein Geheimtipp mehr sind die Live-Sendungen des NDR im JazzClub. Immer zu voll und viel zu warm, sind die Gigs nur etwas für Jazzfans mit stabilem Kreislauf.

© Angela Ballhorn