Jazzopen
Stuttgart

Jean-Michel Jarre © Rainer Ortag
Von Harry Schmidt. Mehr Konzerte, mehr Bühnen, mehr Preise: Auch im 31. Jahr ihres Bestehens setzten die Jazzopen auf Expansion. Das angepeilte Rekordergebnis – das jährliche Einstellen der Vorjahres-Publikumsbestmarke gehört schon zur Folklore des Festivals, das sich in der „Top 3 der Festivals für Jazz und Beyond“ angekommen sieht, wie Jazzopen-„Promotor“ Jürgen Schlensog nicht müde wird zu betonen – wurde dank eines Extratags plansollmäßig eingefahren: Nach zwölf Tagen endete das große Musik-Sommerereignis mit dem Festivaldebüt von Schmuse-Soulpop-Superstar Lionel Richie und einem neuen Publikumsrekord. Rund 64.000 Besucher*innen sorgten laut Veranstalter für eine Bühnenauslastung von 98 Prozent. Weitere 10.000 Musikfans könnten die kostenfreien Open Stages mobilisiert haben. Insgesamt gingen mehr als 70 Konzerte über elf Bühnen in der Stuttgarter Innenstadt.
Apropos Festivaldebüts: Mit Auftritten von Kylie Minogue, Joe Bonamassa, Jean-Michel Jarre, Zucchero und Raye war diese für ein spannendes Festivalprofil so attraktive wie risikobehaftete Kategorie auf der (zumindest betriebswirtschaftlich) spielentscheidenden Schlossplatzbühne überdurchschnittlich stark besetzt. Zusammen mit Kraftwerk schon ein beispielloses Feuerwerk an Weltstarpower, das die Jazzopen auf dem Schlossplatz abgebrannt haben.
Der Wagemut, dort mit einem Auftritt der britischen R&B-Pop-Sängerin Raye zu eröffnen, hat sich ausgezahlt. Den einen gilt der Shooting-Star als nächste Adele, den anderen als Amy-Winehouse-Nachfolgerin – doch Rachel Agatha Keen alias Raye ist eine Neo-Soul-Diva aus eigener Berechtigung: eine Singer-Songwriterin mit Ausnahmestimme, von anmutiger Autorität und auratischer Präsenz.
Während Kraftwerk sich im Wesentlichen in musealer Selbstbescheidung damit begnügten, sich auf ihren Lorbeeren als Elektronik-Pioniere auszuruhen, präsentierte Jean-Michel Jarre sich als noch immer von Neugier und Wissendurst erfüllter Synthesizer-Visionär und -Enthusiast mit offenen Ohren in die Zukunft.
Ein Mix aus alten Bekannten und Novelty-Acts regierte auf der zweiten Hauptbühne – der Renaissance-Arkaden-Innenhof im Alten Schloss ist unangefochten die schönste Location des Festivals: Zu den Highlights im Programm zählten Gregory Porter, Marcus Miller und Herbie Hancock, vor dem Jakob Manz mit seinem um die britische Tenorsaxofonistin Emma Rawicz und den französischen Posaunen-Genius Robinson Khoury zum Nonett verstärkten Extended Project auftrat.
Die Verleihung der German Jazz Trophy behauptet sich als programmatische Eröffnung, 2025 wurde die US-amerikanische Sängerin Dianne Reeves im SpardaWelt-Eventcenter ausgezeichnet, das auch Auftritte von Joe Lovano mit dem Marcin Wasilewski Trio und der drei Gitarrenvirtuosen Biréli Lagrène, Martin Taylor und Ulf Wakenius sah. Erstmals vergeben wurde der mit 15.000 Euro dotierte Wolfgang Dauner Award, erster Preisträger der in Erinnerung an den 2020 verstorbenen Pianisten und Komponisten von der Péter Horváth Stiftung gestifteten Auszeichnung ist der israelische Pianist Shai Maestro.
Im kommenden Jahr ist erstmals ein Jazzopen-Pendant im italienischen Modena (das liegt im italienischen „Motorvalley“, ungefähr zwischen Ferrari und Lamborghini) geplant, das, unmittelbar im Anschluss an die 32. Ausgabe in Stuttgart, vom 13. bis 18. Juli stattfinden soll.