London Column
Vor Kurzem hat mich eine Veranstaltung daran erinnert, was für eine zentrale Figur Scott Stroman (geboren 1958 in Indiana) in der Londoner Jazzszene ist. Auf seiner Website wird er als „Komponist, Dirigent, Musiker und Pädagoge für Jazz, Klassik und Weltmusik“ beschrieben. Und eine recht selektive deutsche Wikipedia-Seite erwähnt: „Während des Studiums spielte er mit Dizzy Gillespie, Louis Bellson, Frank Rosolino und Marvin Stamm.“ Dieses Jahr ist es vierzig Jahre her, dass er nach Großbritannien kam.
Er macht erstaunlich viel. Er ist musikalischer Leiter des London Jazz Orchestra und Professor an der Guildhall School of Music and Drama, wo er spezielle Aufführungsprojekte entwickelt (mehr dazu in Kürze). Das LJO ist sowohl eine Big Band als auch ein Komponistenkollektiv. Der Trompeter Noel Langley und Stroman haben das Orchester 1990 gegründet und darüber geschrieben: „Nach sechs Monaten (!) Proben mit Mitgliedern wie Kenny Wheeler, Ian Carr, Chris Biscoe, Norma Winstone usw. hatten wir 1991 unseren ersten Auftritt und begannen im selben Jahr unsere Vortex-Residency.“ Zu den ehemaligen Mitgliedern, die mitgespielt und geschrieben haben, gehören auch Pianisten wie John Taylor und Pete Saberton.
Stroman veranstaltet auch regelmäßig Jazz-Vespern und Jazz-Gottesdienste in der American International Church. Dazu kommen Opern für die Highbury Opera, ein Londoner Stadteilprojekt, bei denen er mit Top-Autoren zusammenarbeitet. Er hat eine Oper nach Nick Hornbys Buch Fever Pitch komponiert, eine andere nach Michael Palins Stück The Weekend. Und fast hätte ich es vergessen: Er hat die Trompeterin Alison Balsom bei der Aufnahme von Gil Evans’ Bearbeitung des Concierto de Aranjuez dirigiert.
Aber es sind die Veranstaltungen, die er an der Guildhall School leitet, die vielleicht die größte Resonanz haben. Eine davon, Anfang Juli dieses Jahres, war ein großes Ereignis: Stroman arbeitete mit dem berühmten Palle Mikkelborg zusammen, um die erste Aufführung von Miles Davis’ Album Aura seit den 1980er Jahren zu inszenieren. Es war ein einzigartiges Ereignis und eine atemberaubende Aufführung. Stroman schreibt auch außergewöhnlich gut und begründet seine Meinung zu Aura mit enormer Eloquenz: „Ich kenne kein anderes Stück wie Aura. Beim ersten Hören nimmt man natürlich die unverwechselbare Stimme von Miles wahr, aber es ist der Rahmen, das ganze Stück, das es von allen anderen Davis-Aufnahmen seit den 1960er Jahren unterscheidet. Es ist die Stimme eines anderen Musikers, der es zu verstehen scheint, das Beste aus Miles in einer großen Palette herauszuholen; einer, der irgendwie aus der Ferne seine Welt teilt. Ich kenne nur einen anderen, Gil Evans, dem das gelungen ist. Palle Mikkelborg tritt in seine Fußstapfen.
Und ich war froh und privilegiert, diesen Auftritt gehört zu haben.
Jazzjournalist Sebastian Scotney betreibt die Website Londonjazznews.com und ist regelmäßig im Intelligence-Podcast des ECONOMIST zu Gast.