The London Column

Inmitten der üblichen Flut von CDs, die 2020 auf den Markt kommen, haben zwei mein besonderes Interesse geweckt, bei denen nämlich die Musiker eine erwähnenswerte Gemeinsamkeit verbindet. In beiden Fällen sind die Eltern bzw. der Großvater internationale Stars der klassischen Musik, während ihre Nachkommen ihre musikalische Identität im Jazz gefunden haben.

Der Kontrabassist und Komponist Misha Mullov-Abbado ist der Sohn der Geigerin Viktoria Mullova und des verstorbenen Dirigenten Claudio Abbado. Zusammen mit seiner Mutter bringt Misha 2020 ein Album von Violin- und Bassduetten heraus. Eine erste CD bringt auch der Schlagzeuger Douglas Marriner auf den Markt. Er ist der Enkel von Sir Neville Marriner, dem Gründer des berühmten Musikensembles Academy of St. Martin in the Fields und Sohn des Soloklarinettisten des London Symphony Orchestra.

Misha Mullov-Abbado sagt, dass seine Mutter und er informell schon lange zusammen musiziert haben, dass aber die Idee, damit an die Öffentlichkeit zu treten, von ihr kam. Er beschreibt seine erste Reaktion als „die normale Reaktion, wenn dich jemand Herausragendes einlädt, gemeinsam zu musizieren, das heißt, du fragst dich, wie sich das für dich anfühlt“. In diesem Fall passte es. Während seiner zwei Jahre als BBC New Generation Artist hatte Misha öfter mit klassischen Musikern zusammengearbeitet. Das gab ihm die Sicherheit, dass er jetzt wirklich etwas zu einem kollaborativen Projekt mit seiner Mutter würde beitragen können. Ihr erstes gemeinsames Konzert fand im April 2019 in Finnland statt. Daraus entstand ein Konzertrepertoire, das laut Misha „aus klassischen Arrangements, Jazzwerken, viel brasilianischer Musik und eigenen Kompositionen besteht“.

Während Misha Mullova-Abbado nah bei seiner Familie lebt, zog es Douglas Marriner mit etwa 20 Jahren nach New York, wo er nunmehr seit neun Jahren wohnt. Nach Vollendung seines Studiums an der Juilliard School unterrichtet er jetzt auch dort. Marriner verbindet Freelance-Aktivitäten mit regelmäßigen Auftritten mit Vince Giordano and The Nighthawks, einer Band, deren immenses Repertoire viel dem musikalischen Vermächtnis von Paul Whiteman verdankt. Ein weiterer wichtiger Einfluss auf Douglas’ Werdegang ist die Jazzgröße Billy Hart. Marriner spricht mit Inbrunst über seinen Mentor, dem er sich praktisch als Lehrling anschloss und der immer bereit war, väterlichen Rat zu spenden: „Eine Unterrichtsstunde bedeutete oft, dass ich acht Stunden mit ihm verbrachte und dabei war, wie er eine Aufnahme machte. Ich stellte ihm das Schlagzeug auf. Er ist enorm freigiebig und warmherzig.“ Und was für ein Album bringt Douglas heraus? „Abwarten“, sagt er.

Jazzjournalist Sebastian Scotney betreibt die Website londonjazznews.com.