Jazzdor – Festival de Jazz

Straßburg / Offenburg

Von Peter Bastian. Dem Publikum die spannendsten und bemerkenswertesten Entdeckungen vorzustellen, denen er das ganze Jahr über begegnet ist, ist Philippe Ochems Ziel. Dabei läuft er keinem Zuschauerrekord nach und erreicht doch jedes Jahr wieder – jetzt zum 34. Mal – mit Jazzdor ein breites Publikum. Ein erstaunliches Duo eröffnete das Festival: James Brandon Lewis (ts) und Aruán Ortiz (p). Mit ihrer Konfrontation aus kubanisch-haitianischem Erbe und Jazz packten sie das Publikum vom ersten bis zum letzten Ton. Genauso erstaunlich ging der Abend mit dem neuen Quartett von Marc Ribot weiter. Wie immer brach der Gitarrist mit üblichen Hörgewohnheiten. Hier traf die Querflöte von Jay Rodriguez in einem schrägen Swing auf die E-Gitarre. Und wenn sich Free Jazz mit Rock ’n’ Roll vereinte, wurde es wild und ungestüm. Chad Taylor ist nach wie vor ein Hammer-Drummer und Nick Dunston für alles der passende Bassist, egal ob Bebop-, Albert-Ayler- oder John-Coltrane-Nummern.

Das internationale Quintett des Straßburger Saxofonisten Musina Ebobissé wurde durch Moritz Baumgärtner am Schlagzeug verstärkt und klang sehr vielversprechend. Ebobissé ist schon jetzt ein hervorragender Komponist. Ein weiteres Piano-Saxofon-Duo ließ pure Schönheit des Klangs und Hoffnung auf eine bessere Welt erklingen: Aki Takase und Daniel Erdmann ließen ihre kompositorische und spielerische Kraft leuchten. Bei Unbroken entstand aus einem Streichtrio (Régis Huby, Guillaume Roy, Vincent Courtois), zwei Elektronikern (Jan Bang und Eivind Aarset) und Schlagzeug (Michele Rabbia) ein irres Klangkonglomerat, das durch Freiheit und Intensität überzeugte.

Joachim Kühn rang bei der Jazzpassage in der Offenburger Reithalle solo einigen Stücken aus seiner Zeit mit Ornette Coleman neue Aspekte ab. Sein Altersgenosse Henri Texier (b) klang anschließend mit seinem Quintett Sand Woman genauso jung, frisch und kraftvoll. Das lag nicht nur an seinem zeitlos schönen Spiel, sondern auch an seinen jungen Mitspielern Sébastien Texier, Vincent Lê Quang (sax), Manu Codjia (e-g) und Gautier Garrigue (dr) – erdenschwerer Blues, Freejazz und wunderschöne Melodien.

Zum Abschluss beschworen Omar Sosa (p) und Jacques Schwarz-Bart (ts) ihre Creole Spirits. Mit zwei Sängerinnen und Tänzerinnen (Martha Galarraga, Moonlight Benjamin) und zwei Perkussionisten (Gustavo Ovalles, Claude Saturne) klang das mal magisch wie ein Gottesdienst und hatte lyrische Züge, hatte aber auch Passagen mit Entertainment-Charakter, in denen das Publikum zum Aufstehen und Mitklatschen genötigt wurden. Das muss nicht sein.

Quasi eine Festival-Zugabe gab es aus Termingründen am folgenden Tag, der ganz dem rumänischen Komponisten George Enescu (1881-1955) gewidmet war. Zunächst bearbeitete das Quintett von Alex Simu (cl) in Echoes of Enescu mit Eleganz und Finesse Auszüge aus dessen 2. Sinfonie. Oedipe, die einzige Oper Enescus, verarbeitete danach ein hochkarätiges Oktett um Lucian Ban (p) und Mat Maneri (v). Verstärkt durch Jen Shyu und Theo Bleckmann (voc), Louis Sclavis (cl), Ralph Alessi (tp), John Hébert (b) und Tom Rainey (dr), erklangen in spannenden Momenten, aber auch welchen, in denen die Gedanken abschweiften, faszinierende Gesangsduette im Grenzbereich von Jazz und Kammermusik.