Sebastian Scotney

The London Column

Excess deaths” – überhöhte Todesfälle in der Pandemie: Dieser Alptraum verfolgt uns hier im Vereinigten Königreich seit Monaten. Unsere Regierung hat so häufig nicht zeitgerecht gehandelt, viel zu viele Menschen auf unseren Inseln haben dafür mit dem Leben bezahlt. Teils wegen des Virus, teils aus anderen Gründen mussten wir uns im Jahr 2020 von einigen einflussreichen britischen Jazzgrößen verabschieden: früher im Jahr von Peter King, Don Weller, Keith Tippett und dann im Dezember von Ron Mathewson und Eddie Blair. Der Tod dieser letzten beiden Musiker signalisiert irgendwie das Ende einer Ära. Beide stammen aus Schottland, beide spielten in Ronnie Scotts kleinen Gruppen (allerdings zu verschiedenen Zeitpunkten), beide zogen sich in den 90ern aus dem Musikgeschäft zurück; aber da enden die Gemeinsamkeiten, in ihrem Charakter und ihrer Art, Musik zu machen, unterschieden sie sich sehr.
Der Kontrabassist Ron (Rognvald) Mathewson (geb. 1944), der am 3. Dezember 2020 einer Covid-19-Erkrankung erlag, kam ursprünglich von den Shetlandinseln. Stan Sulzmann schrieb: „Ron elektrisierte uns mit seiner Musik. Er brachte alles, sein Talent war ungehemmt und intuitiv.” Rons Riesentalent war überall gefragt. Der amerikanische Jazzpianist Earl Hines bot ihm einen festen Platz in seiner Gruppe an, und Joe Henderson wollte Alben mit ihm machen. Der nur zwei Jahre jüngere Dave Holland erinnert sich, wie er als Student regelmäßig zu Rons Gigs ging: „Wie Ron Mathewson den Kontrabass spielte, das war einfach eine Inspiration für mich … er war so erfinderisch … seine Solos rangierten von wundersam melodisch bis zu vorpreschend explosiv.” Ron spielte viele Jahre in Ronnie Scotts Gruppen und war der Festpunkt in der Rhythmusgruppe des Clubs. Als diese Verbindung endete, dauerte es nicht lange, bis er sich in seiner Wohnung vergrub, um mit seinen „inneren Dämonen“ zu ringen, wie es in einem Nachruf hieß.
Der Trompeter Eddie Blair (geb. 1927) war einer der Getreuen in der „goldenen Ära“ der Ted Heath Band, Mitglied der Johnny Dankworth Seven auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs und eine ständige Inspiration für Kenny Wheeler. Er starb am 2. Weihnachtsfeiertag 2020 im Alter von 93 Jahren. In seinem Nachruf nannte Simon Spillett ihn „einen echten Künstler auf seinem Instrument, der selten – wenn überhaupt je – einen falschen Schritt in der Musik machte“. Blair war ein perfekter Teamplayer. Als er sich im Alter aus der Musikszene zurückzog, vertauschte er (ganz untypisch im Jazz) das Aufnahmestudio mit dem Golfplatz, mit Skihängen und Familienzeit.

Überzeugende Stimmen im Jazz können sowohl aus dem inneren Feuer eines Ron Mathewson kommen als auch aus dem kontrollierten Ebenmaß von Eddie Blair. Wir werden beide sehr vermissen.

Jazzjournalist Sebastian Scotney betreibt die Website londonjazznews.com