Konstantin Wecker

Weil er ein Lied hat

© Thomas Karsten

Mit Jazz verbindet man den Liedermacher Konstantin Wecker nicht unbedingt, wenn auch sein freigeistiges Denken dem Jazz nahesteht. Doch teilte er die Bühne mit Jazzmusikern wie Wolfgang Dauner und Charlie Mariano oder auf der aktuellen Tour mit dem Saxofonisten Norbert Nagl. Die Freiheit der Improvisation ist ein Element, das sein Bühnenprogramm wie auch sein neues Live-Doppelalbum Utopia beeinflusst. Auszüge aus einem Gespräch, in dem es auch um Utopien, Pazifismus und den russischen Angriffskrieg ging, was dem Platzmangel aber leider zum Opfer fallen musste.

Von Angela Ballhorn

Während einige Künstler zu Corona-Lockdown-Zeiten in Schockstarre verfielen, lösten sie bei dem Münchner Liedermacher einen Kreativschub aus. „Mir ist im Lockdown durch den Kopf gegangen, dass ich seit fast 50 Jahren um die 100 Konzerte pro Jahr gespielt habe. Selbst 2021/22 konnten wir ein paar Konzerte open air spielen, bei minus drei Grad und ähnlich schauerlichen Bedingungen. Ich war selbst in meiner schlimmen Drogenphase auf der Bühne. Aber im Lockdown war alles anders, und es wirkt bis heute nach für uns Künstler.“

Konstantin Wecker, der im Sommer seinen 75. Geburtstag feierte, machte in der Zeit seine Doppel-CD Utopia und versuchte, normal weiterzuarbeiten. „Ich muss ja bei der Kreativität warten, dass sie passiert. Ich habe meine Gedichte nie geschrieben, bis auf den Text ,Sage Nein‘. Den habe ich mir vorgenommen und rational erarbeitet. Es ist kein großartiges Gedicht, aber ein gutes Lied geworden. Alle anderen Lieder und Gedichte sind mir passiert. Ich bin so dankbar dafür, dass ich schon als junger Mann in Tiefen greifen konnte, die sehr viel klüger waren als ich.“

Konstantin Wecker vertont seine Gedichte, die Texte sind immer zuerst da. Während seine Kollegen Hannes Wader und Reinhard Mey von amerikanischem Folk und französischem Chanson beeinflusst waren, war es für ihn immer der „Schubert Franzl“. Wecker kommt aus einem Haus mit klassischer Musik. Sein Vater war Tenor, Wecker hat als Knabe mit ihm gesungen und war eine tolle Traviata, wie er selbst sagt. „Klassik, bis ich mit 18 oder 19 zum ersten Mal Janis Joplin gehört habe, die haut mich heute noch um. Bei uns in München waren viele US-Amerikaner stationiert, deshalb gab es tolle Jazz- und vor allem Soulkneipen. Ich durfte ein paar Mal mitspielen und habe mich in Soul und Blues verliebt – und etwas gelernt von denen, die das so meisterlich konnten. Ich war nie ein Jazzer, aber ich habe den Jazz immer geachtet und bewundert. Später lernte ich Wolfgang Dauner kennen, Peter Herbolzheimer und Charlie Mariano. Und ich habe es gewagt, mich mit ihnen musizierend auf eine Bühne zu begeben. Wohl wissend, dass ich ein Anfänger im Jazz bin.“

Jazzmusiker haben Konstantin Wecker schon immer begeistert. „Das ist eine andere Art, Klavier zu spielen, da habe ich den Wolfgang [Dauner] immer bewundert. Meine große Liebe galt Charlie Mariano. Ihn habe ich in einer Zeit kennengelernt, als er sagte: ,Ich habe in der Jugend sehr viele Noten gespielt, aber jetzt habe ich mich entschieden, wenig, aber umso intensiver zu spielen.‘ Es war jedes Mal atemberaubend mit ihm. Wir haben ein paar Jahre zusammen verbracht, in denen ich viel gelernt habe. Aber im Herzen sind meine musikalischen Vorbilder eher Mozart, Verdi und Schubert.“

Utopia hat eine ungewöhnliche Besetzung. Zum Keyboarder Jo Barnikel kommen die Schlagwerker Daniel Higler oder Jürgen Spitschka und die Cellistin Fany Kammerlander. „Die Schlagwerker haben mich immer sehr fasziniert, ich habe gerne mit Marimba und Pauken gearbeitet. Bei mir ist zuvorderst wichtig, dass der Text verstanden wird. Ein klassischer Schlagwerker ist es eher gewohnt, sich einem Text unterzuordnen. Auf der Tour haben wir mit Norbert Nagl jemanden, der Saxofon, Klarinette, Bassklarinette und Flöte spielt. Das ergibt ein großes Spektrum von jazzig über bluesig bis hin zur E-Musik.

Konstantin Wecker singt, weil er ein Lied hat, das ist auch das Motto seiner Tour. Als 20-Jähriger hat er geschrieben: „Ich singe, weil ich ein Lied hab, nicht weil es euch gefällt.“ Diese Dringlichkeit verbindet den Liedermacher mit den Jazzmusikern. „Im Jazz wird nicht musiziert, um so schnell wie möglich viel Geld zu verdienen, sondern um mit aller Kraft und auch verbunden mit Qual und langer Suche das Innerste nach außen zu bringen. Ich bewundere Jazzmusiker und vor allem -musikerinnen. Inzwischen gibt es ja nicht mehr wie früher nur Sängerinnen, das hat sich geändert. Die Musiker drücken sich in einer Musikform aus, die wahnsinnig spannend, interessant und auch politisch ist – aber eben nicht allzu populär. Jazzmusiker sind wie wir Liedermacher. Sie spielen, weil sie ein Lied haben.“

Aktuelles Album:

Konstantin Wecker: Utopia (Sturm & Klang / Al!ve)