Jazzfestival

Leibnitz

Mirabassi DiModugno Balducci © Peter Purgar

Von Christoph Giese. Überall in der Stadt ist er auf den knallroten Plakaten zu sehen. Und natürlich prangt Wadada Leo Smith auch auf dem Frontcover des Programmhefts der sechsten Ausgabe des Jazzfestivals Leibnitz. Seine Trompete hält er schräg in die Höhe und bläst intensiv hinein. Ein echter Hingucker, dieses Foto. Und Otmar Klammer, künstlerischer Leiter des viertägigen Festivals in der Südsteiermark, ist der Stolz anzumerken, die Legende der Avantgarde-Szene Chicagos und sein Great Lakes Quartet exklusiv aus Amerika nach Leibnitz geholt zu haben. Doch leider bot der Top-Act kein Top-Konzert. Das Quartett agierte häufig gar nicht richtig zusammen. Darüber täuschten auch wundervolle Dialoge, vor allem zwischen Bassist John Lindberg und Schlagzeuger Pheeroan akLaff, nicht hinweg. Wadada Leo Smith führte sich zudem auf wie ein unzufriedener Oberlehrer, gab ständig mit Handzeichen seinen zum großen Teil sehr renommierten und erfahrenen Kollegen deutlich sichtbar für jeden im Saal Hinweise für Einsätze.

Wie viel homogener wirkten da direkt zuvor die ebenfalls aus Übersee eingeflogenen The Whammies. Das Sextett, das sich der skurrilen Musik des Saxofonisten Steve Lacy verschrieben hat, interpretierte diese zwar recht diszipliniert, aber doch mit Freiräumen, schon alleine dadurch, dass etwa Solokompositionen Lacys im Kollektiv gespielt wurden. So macht Avantgarde Freude. Eigenwillig pulsierend, vertrackt und dann mit mächtigem, gewitztem Swing. Eigenwillig war auch das Duo von Posaunist Daniel Herskedal und Saxofonist Marius Neset. Die Norweger eröffneten das Festival mit ihrer ungewöhnlichen Besetzung und Improvisationen zwischen norwegischer Folklore, Kunstmusik und Jazz im einzigartigen Ambiente des 300 Jahre alten Weinkellers des oberhalb von Leibnitz gelegenen Schloss Seggau. Dort verzauberte auch das italienische Trio mit Gabriele Mirabassi (cl), Nando Di Modugno (g) und Pierluigi Balducci (b) die Ohren der vielen Zuhörer mit seinen luftig-leichten Klängen, die einen Bogen von Italien bis nach Rio de Janeiro schlugen.

Renaud Garcia FonsTrio © Peter Purgar

Und mit welcher Leichtigkeit spielten sich die beiden Tasten-Asse aus Kuba, Marialy Pacheco und Omar Sosa, an zwei Konzertflügeln ihre Ideen aus kubanischer Volksmusik und Jazz hin und her. Zwischendurch zart angereichert mit ein paar klug gesetzten elektronischen Sounds, verzauberte das Duo mit ansteckender Spielfreude und mitreißender Virtuosität, die aber nie nur Demonstration des Könnens war. Einen ebenso zauberhaften Schlusspunkt setzte das neue Trio von Renaud García-Fons. Beim Open-Air-Jazzbrunch bei wieder einmal strahlend blauem Himmel am Weingartenhotel Harkamp blickte der Meisterbassist mit seinem Programm Revoir Paris musikalisch auf seine Heimatstadt. Begleitet von David Venitucci (acc) und Stephan Caracci (dr, vib), streifte García-Fons durch die Seine-Metropole, mit Leichtigkeit, Lockerheit und seiner unfassbaren Technik, vor allem auch beim Bogenspiel. Ein tänzelnder Musette-Walzer, Wehmut, aber auch forsche Grooves – diese Musik hatte bei jeder Stimmung so viel Herz, dass einem genau das immer wieder aufging. Was kann man sich mehr von Musik und einem Konzert wünschen?