London Column

Ich mag nette Überraschungen, vor allem, wenn es Storys sind, die ich in dieser Kolumne erzählen kann. Diese hier handelt von dem Posaunisten Ashley Slater. Seine hier etwas verkürzte Lebensgeschichte ist die eines Musikers, der sich immer wieder neu erfunden hat, geboren in Quebec, aufgewachsen in Kalifornien. Während seiner Zeit in Großbritannien wurde er zeitweilig als Militärmusiker nach Belfast geschickt. Wichtig ist jedoch, dass er mit den Besten der Besten spielen konnte. Er war in Orchestern unter der Leitung von George Russell, der sein Spiel sehr schätzte, von Carla Bley und Mike Gibbs. Er wurde zum provokanten und stets witzigen Frontmann des einflussreichen Großensembles Loose Tubes, dem er praktisch so lange angehörte, wie es existierte.

Außerhalb des Jazz kennen ihn viele eher als Sänger und Frontmann der Band Freak Power, die immer noch existiert, 250.000 Hörer monatlich hat und mit einem Song, „Turn on, Tune in, Cop out“, über 26 Millionen Streams erreicht hat. Der Song wurde in den 1990er Jahren in einem populären Werbespot für Levi‘s-Jeans verwendet.

Und jetzt kommt die Überraschung: Ashley ist quicklebendig und erzählt mir, dass er sehr glücklich ist und jetzt in Chemnitz lebt. Wie er dort gelandet ist? Ursprünglich war es der Schaden, den der Brexit den britischen Musikern zugefügt hat: „Ich habe etwa ein Drittel meines Einkommens verloren, weil Tourneen in Europa nicht mehr so einfach zu organisieren waren wie zuvor.“ London kann eine energiezehrende und furchtbar teure Stadt sein, und die Art und Weise, wie Musiker in Großbritannien behandelt werden, ist oft deprimierend schlecht. Die Suche nach einer Alternative führte ihn 2021 einen Sommer lang nach Batumi in Georgien, wohin er ursprünglich eingeladen worden war, ein Album zu produzieren, dann weiter nach Spanien; aber beides erwies sich als nicht erfolgreich. Ein zufälliges weiteres Angebot, ein Album zu produzieren, führte dann zu allem anderen: „Man bot mir an, nach Deutschland zu gehen, um mit einem Künstler zusammenzuarbeiten, sein Album zu mischen und ihn bei der Produktion zu unterstützen. Wir flogen für eine Woche hin – und beschlossen zu bleiben. Und hier leben wir nun, in der sonnigen Stadt Chemnitz.“

Ashley Slater ist am Veranstaltungsort Kraftverkehr beteiligt und arbeitet erfolgreich mit einem guten und produktiven Netzwerk in Prag zusammen – das von Chemnitz zwei Stunden mit dem Auto und bis zu zwölf Stunden mit dem Zug entfernt ist, sagt er. Freak Power hat gelegentlich Auftritte. Es gibt ein neues Projekt namens Heptet, das sich gut entwickelt. Wie fasst Ashley das alles zusammen? Seine Botschaft ist inspirierend optimistisch: „Ich möchte wirklich von allem mehr machen. Ich bin noch so weit davon entfernt, mit dem fertig zu sein, was ich musikalisch und in meinem Leben erreichen will, dass ich immer auf der Suche nach Projekten bin, die mich aus meiner Komfortzone herausholen und mich zwingen, neue Dinge, neue Techniken und neue Musikgenres zu lernen. Ich bin Musiker! Ich bin glücklich damit und werde so lange weitermachen, wie ich es eben kann.“

Jazzjournalist Sebastian Scotney betreibt die Website ukjazznews.com