Megaphon

Von Jan Kobrzinowski

Welche Musik, wenn überhaupt, hören eigentlich diejenigen, deretwegen wir uns zurzeit so große Sorgen machen, die Krakeeler, die den Populisten auf den Leim gehen? Die – vielleicht sogar wider besseres Wissen und gesunden Menschenverstand – inzwischen gerne mal in die Fäkalsprache abrutschen? Musik, hier: Jazz, und Politik – das ist ein heikles, weil hoch aktuelles Thema. In dieser Ausgabe der JAZZTHETIK beschäftigt sich der geschätzte Kollege Hans-Jürgen Linke mit diesen Zusammenhängen. Bitte, liebe/r Leser/in, lesen Sie seinen klugen Beitrag über das Darmstädter Symposium. Ob Jazz politisch ist, so sagt er dort, entscheiden „erstens die Musiker und zweitens das Ohr, das Wissen und die Assoziationen der Hörer“. Ich stimme ihm zu – und ergänze ganz „unpolitisch“: Differenziertes Musik-Hören setzt einfühlsame Menschen voraus. Und Einfühlsamkeit wird dann zu Empathie. Vielleicht. Aber ganz so einfach ist das natürlich nicht. Angesichts von Rechtsrock und Marschmusik, Gabalier und Aggro-Rap kann man nur hoffen, dass zumindest die meisten von uns noch im Besitz sämtlicher Sinne und nicht gänzlich von denselben sind. Wer also „seine sieben Schweinchen beisammen“ hat, kann auch hören, reagieren, reflektieren, lauschen, harmoniert oder dissoniert – und kann eigentlich nicht anders, als denen, die Musik machen, Achtung entgegenbringen, die anderen Zuhörenden respektieren, das Gehörte in einen Kontext bringen. Ja, auch in einen emotionalen, und bitte einen, in dem ALLE vorkommen, und nicht nur ICH, der ich mir selbst am nächsten bin, samt meiner Probleme. Das ist doch eigentlich nicht zu viel verlangt. Und, mal ehrlich: Je mehr Musik wir hören, desto weniger Sorgen müssen wir uns machen…

Vor 30 Jahren hätte er sich heimlich geschämt, für etwas honoriert zu werden, das er noch gar nicht geleistet hatte, sagt der Schlagzeuger Paul Lovens und erhält nun, mit 70 Jahren, im Rahmen des JazzFests Berlin im Haus der Berliner Festspiele den Albert-Mangelsdorff-Preis 2019. Dass er „der Prototyp eines Improvisationsmusikers mit Erfindergeist ist, der Genregrenzen neu definiert und gerade im Team zu Hochform aufläuft“, weiß nicht nur die Jury.

www.albert-mangelsdorff-preis.de

Der Pianist Harold Mabern zählte bis zu seinem Tod am 17.9. im Alter von 83 Jahren zu den wenigen überlebenden Veteranen des Hardbop, Postbop und Souljazz. Noch in seinen letzten Jahren tourte er extensiv, u.a. mit seinem Ex-Studenten, dem Saxofonisten Eric Alexander, und unterrichtete u.a. beim Stanford Jazz Workshop.

Auch Supergroup-Schlagzeuger Peter Edward „Ginger“ Baker, dessen Spiel schon früh die Rhythmen der Rockmusik um Afro- und Jazzelemente bereichert hat, legte im Oktober im Alter von 80 Jahren endgültig seine Sticks beiseite. Der gefürchtete Griesgram mit dem genialischen Touch war bis zuletzt aktiv. Früh in den 1960ern trommelte er mit Graham Bond, Cream, Blind Faith, später mit zahllosen Trio-Besetzungen (u.a. seiner eigenen Air Force) sowie afrikanischen Musikern und traf – unvergessen – 1972 im Drum-Battle auf sein Idol Art Blakey.

G. Alsmann © Fabio Lovino

 

Neben Fußball-Lehrer Horst Hrubesch und Künstler Gunter Demnig sah der promovierte Musikwissenschaftler, Jazzmusiker und unermüdliche Unterstützer von Popularmusik und Hospizbewegung mit seiner Verrückt-nach-Mary-Frisur richtig gut aus. Den Verdienstorden des Landes NRW nahm Götz Alsmann schon im August aus den Händen von Ministerpräsident Armin Laschet entgegen. Wir gratulieren nachträglich.

Stefanie Marcus

 

Weitere Glückwünsche gehen an Stefanie Marcus und ihr Berliner Dream-Team Traumton mit Plattenlabel, eigenem Studio und Musikproduktion, für ihre immer wieder mutigen, hochinteressanten Produktionen – seit inzwischen 30 Jahren.

www.traumton.de

Nie ohne Maske. Die amerikanische Soundspezialistin Liz Kosack erhält am 7.11. auf dem Enjoy Jazz Festival, anlässlich des Konzerts mit ihrem Trio VAX in Ludwigshafen, den SWR Jazzpreis 2019. Teil ihrer improvisierten und komponierten Performance auf Synthesizern und anderen elektronischen Geräten sind seit jeher die von ihr selbst gestalteten Masken.

Molly Duncan

 

Er wird nicht nur dem Schreiber dieser Zeilen persönlich sehr fehlen, sondern auch allen anderen, denen sein markiger Funky-Sound noch im Ohr ist: Als Gründungsmitglied der Average White Band, einst die „schwärzeste“ Funk-Formation Europas, veredelte der Schotte Malcolm „Molly“ Duncan nicht nur deren Hit „Pick up the Pieces“ mit seinem charakteristischen Tenorsax-Sound, sondern lieh diesen auch Ray Charles, den Dire Straits, Eric Clapton, Marvin Gaye, Tom Petty, Ben E. King u.v.a. Molly war bis zuletzt von seiner Wahlheimat Düsseldorf aus in Sachen Funk und Jazz unterwegs. Am 8.10. starb er nach einer Krebsdiagnose überraschend im Alter von 74.

Jessye Norman

 

Im Leben der großen Opernsängerin Jessye Norman gab es nicht nur Opern und Lieder der Romantik, sondern auch Spirituals und Jazz. Auch die fünffache Grammy-Gewinnerin ging im September, viel zu früh, im Alter von nur 74 Jahren von uns.

Miles Davis’ Elternhaus in St. Louis soll der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wenn alles klappt, wollen Lauren Parks und Jasper Gary Pearson aus einem Haufen Staub und Gerümpel noch in diesem Herbst ein Museum und eine Bildungseinrichtung für Kinder machen. Geschichten und Anekdoten aus Miles‘ Kindheit sollen dafür sorgen, den Geist der Jazzlegende in der Stadt zu verankern. „Und ich sehe Kinder“, beschreibt Parks ihre Vision, „und höre Musik“.

Einst verewigt von John Coltrane auf dessen Album Giant Steps, starb vor Kurzem „Cousin Mary“ Lyerly Alexander im hohen Alter von 92 Jahren. Tranes leibliche Cousine hatte sich bis zu dessen Tod stets um ihn gekümmert, sich hernach für den Jazz, besonders für die Philadelphia-Szene eingesetzt und 1984 die gemeinnützige John W. Coltrane Cultural Society gegründet.

Trio Heiny Herbert © Heinz Herbert Zenith

 

Auf dem diesjährigen 12 Points Festival im Amsterdamer Bimhuis kürte im September eine Jury aus dem Umkreis des Europe Jazz Network (EJN) aus zwölf Acts den ersten Gewinner des neuen Zenith Award for Emerging Artists. Die Wahl fiel auf das Zürcher Trio Heinz Herbert. Die Juroren lobten dessen „starke Originalität in Klang, Musik und Performance“.

www.europejazz.net

Der Willem Breuker Prijs wird nur an Leute verliehen, deren Arbeit ähnliche Charakterzüge trägt wie die des eigenwilligen Kollektief-Chefs. Die „darstellende Musikerin“ Nora Mulder zeichnet eine gewisse Sturheit aus, sie vermeidet Moden, schlägt ihren eigenen Weg ein und liebt die Zusammenarbeit mit vielen anderen. Die Auszeichnung (15.000 Euro und eine Plastik von Wim T. Schippers) wird am 3.11. in Amsterdam übergeben.

BIM nimmt es selbst in die Hand. BIM ist die Union Improvisierender Musiker (und Namensgeberin des Amsterdamer Bimhuis). Unsere niederländischen Nachbarn haben nun, nach dem Vorbild des „Applaus“, den BIM Podium Preis ins Leben gerufen, machen aus der Not eine Tugend und finanzieren den Preis aus den eigenen Mitgliedsbeiträgen.

www.bimpro.nl/bim-podium-prijs

Die Non-Profit-Organisation European Music Council (EMC) arbeitet daran, die Bedingungen für das Musikleben in Europa zu verbessern. Dazu gehört, dass man nun mittels „Climate Action: Music as a Driver for Change“ durch nachhaltigeres Verhalten im Musiksektor zu einer klimaneutralen Welt bis Mitte des Jahrhunderts beitragen will.

www.emc-imc.org

Der Opus Klassik ist, wie es schon der Name sagt, ein Klassik-Preis. Dort gibt es die „Konzerteinspielung Klarinette”. Den Preis in dieser Kategorie gewann der aus Syrien stammende Klarinettist Kinan Azmeh für sein Crossover-Orchesterwerk Uneven Sky mit u.a. Yo-Yo Ma und dem Deutschen Symphonie Orchester Berlin.

www.opusklassik.de

Unter den diesjährigen Jahres-Preisträgern des Preises der Deutschen Schallplattenkritik sind das Émile Parisien Quartet mit Double Screening sowie Marilyn Mazur mit Shamania. Im Bereich „Grenzgänge“ schafften es die Songs from a Darkness des Duos Oona Kastner/Dirk Raulf mit ihren „schwermütigen, auch klanglich dunklen Nachtmusiken“ auf die Bestenliste 3/2019. Einen Ehrenpreis gab es für den Bassisten und Grafiker Klaus Voormann (83).

www.schallplattenkritik.de

Heuken-Stadtfeld-Heigenhuber

 

Der Jazznachwuchspreis 2019 der Stadt Leipzig wurde im Rahmen der 43. Leipziger Jazztage verliehen. Er ging an Heuken / Stadtfeld / Heigenhuber. Das Trio eröffnete die Jazztage am 10. Oktober. Der Jazznachwuchspreis ist mit 6.500 Euro dotiert und wird von der Marion-Ermer-Stiftung mit 1.000 Euro unterstützt. Nicole Johänntgen, Christian Lillinger und Bert Noglik saßen in der Jury.

Nina Hagen

 

Bunter geht’s nicht. Die Jazztage Dresden haben zwar schon im Oktober begonnen, bieten aber noch bis Ende November eine nicht enden wollende Reihe von Konzerten mit großer stilistischer Vielfalt: von der Jazzrausch Bigband, Rebekka Bakken, Ute Lemper, Renaud García-Fons und Julian Lage bis hin zu Tuck & Patti, dem Pasadena Roof Orchestra, Kinga Głyk , Konstantin Wecker, Iiro Rantala, Incognito, Big Daddy Wilson, Nils Landgren, Martin Tingvall, Fanfare Ciocarlia und David Helbock, um nur einige zu nennen.

www.jazztage-dresden.de

Elliott Galvin Trio

 

Ein handverlesenes Programm bietet am 15./16.11. das 22. AKUT-Festival im Mainzer Frankfurter Hof. Der Verein upArt e.V. bemüht sich mit Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz, der Stadt Mainz und dem Frankfurter Hof um „frei und sperrig gedachten Jazz“, diesmal mit Gilbert Paeffgen, Elliot Galvin, Jaimie Branch, Tin Men & The Telephone u.a.

www.akut-festival.de

Am 7.11. entscheidet sich im UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen, ob die jazzahead!-Messe samt Festival nun auch Europäische Kulturmarke wird. Einer der avancierten Kulturpreise in Europa wurde vom Berliner Unternehmen Causales erfunden. Die jazzahead! tritt u.a. gegen die „Staatlichen Schlösser & Gärten Baden-Württemberg“ sowie „100 Jahre Bauhaus“ an.

Ramon Valle

 

Im Night Club des Hotels Bayerischer Hof geben sich in diesem Herbst Jazzstars die Klinke in die Hand: Neben regelmäßigen Soul- und Funk-Gala-Gigs bietet das Münchner Edel-Hotel Konzert-Highlights mit John Scofield, Ron Carter, Roberto Fonseca und Ramon Valle (s. Termine).

www.bayerischerhof.de/de/erleben-geniessen/eventkalender.html

Kontrabass-Profi und Hobby-Gitarrist David Helm erhielt den Jazzpreis der Stadt Köln. Er ist der 21. Preisträger des „Horst und Gretl Will-Stipendiums Jazz/Improvisierte Musik“, dotiert mit 10.000 Euro. Ob er nun bei Pollon, mit dem Zooom Trio, Fosterchild oder auch alias Marek Johnson in Erscheinung tritt – die Jury war begeistert von Helms „breit angelegter Klangskala, dem Universellen, enormer Variabilität und seinem ausgeprägten Sinn für Klang und Nuancen“.

Wird Musikunterricht teurer und zum Luxusgut? Bisher war die Arbeit von freien Musikpädagogen umsatzsteuerbefreit. Das könnte sich mit der Umsatzsteuerreform bald ändern. Wir fordern, gemeinsam mit Deutschem Musikrat und Tonkünstlerverband, Verband deutscher Musikschulen, Bundesverband Freier Musikschulen: Bitte nicht!

Gute Nachrichten für die Live-Szene? Wie in Hamburg, am Rande des Reeperbahn Festivals verlautbart, sagen Experten aus allen Sektoren der deutschen Musikwirtschaft, dass das deutsche Live-Publikum sich im Allgemeinen zahlungsbereiter zeigt. Ergebnis der Langzeitstudie „Musiknutzung in Deutschland“ war, dass der Gesamtumsatz der Veranstaltungsbranche im Zeitraum 2017 gegenüber der letzten Erhebung 2013 um 31 Prozent gestiegen ist.

www.bdkv.de/marktstudien

Goethe geht mit gutem Beispiel voran. Der Fachbereich Musik des Goethe-Instituts setzt sich ab sofort für Musiker und Komponistinnen aus „Entwicklungs- und Transformationsländern“ ein. Bis 15.11. können sich diese um Förderung bewerben (Arbeitsaufenthalte in Deutschland, Fortbildung, Stipendien, Reisekosten, Touren etc.).

www.goethe.de/de/uun/auf/mus.html

Hannah & Falco ist ein Singer/Songwriter-Duo, das mit seinen energiegeladenen, gefühlvollen, dabei abwechslungsreichen englischsprachigen Songs die Jury des Musikpreises des BDKV (Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft) überzeugt hat.

www.bdkv.de/musikpreis

Der 1. eastPLUGGED® Junior Jazz Award wurde durch den Schlagzeuger Jens Düppe als Kurator und die USB Stiftung als Träger vergeben. Gewinner sind das Niklas Roever Trio, die Solistin Johanna Summer und das Duo Heid-Schwarz. Neben einem Geldpreis erwartet die Gewinner ein Konzertvertrag und das Siegerkonzert am 17.11. in der Friedenskirche Ratingen.

www.usb-stiftung.de

Im Dortmunder domicil wurde der Weltmusik-Wettbewerb Creole – Globale Musik aus NRW ausgetragen. Die Hauptpreise (jeweils 1.500 Euro) gewannen die Kölner Band RasgaRasga und das Ayça Miraç Quartett. Ein Sonderpreis ging an das Klezmerquintett Tovte. Hinter der Veranstaltung stehen Landesmusikrat NRW, Kulturbüro Dortmund, domicil, der WDR und das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft. WDR 3 Jazz & World sendet die Konzerte zu einem späteren Zeitpunkt.

Eva Klesse

 

Und schon wieder eine Auszeichnung für Eva Klesse: die Schlagzeugerin gewann den JTI Trier Jazz Award 2019. Wer kann nicht bestätigen, dass sie „an ihrem Instrument vor großer Spielfreude sprüht“ und „ihre Band mit höchster sozialer wie musikalischer Kompetenz“ leitet? Das Preisträgerkonzert fand am 18.9. im Tagungszentrum der IHK Trier statt.

Wolfgang Voigt © Veronika Unalnd

 

Er schuf „elektronische Musik ganz eigener Prägung, die starke Bezüge zu Köln aufweist und Generationen von Musikerinnen und Musikern beeinflusst hat“. Der Musiker und Label-Gründer Wolfgang Voigt erhielt den Holger-Czukay-Preis für Popmusik der Stadt Köln 2019 für herausragende Leistungen im Bereich der Popmusik. Der Ehrenpreis ging an die Can-Legende Irmin Schmidt.

Naïssam Jalal

 

Noch bis zum 10.11. öffnet JazzDor Strasbourg, inzwischen zum 34. Mal, seine Türen für den Jazz. Eivind Aarset, Henri Texier, Jacques Schwarz-Bart, James Brandon Lewis, Louis Sclavis, Alexander Hawkins, Daniel Erdmann, Marc Ribot, Jaimie Branch, Aki Takase und viele andere repräsentieren vorwiegend europäische, kreative Stimmen des aktuellen Jazz.

www.jazzdor.com

Auch Montreux kümmert sich um den Nachwuchs. Die Jazz Talent Awards 2019 des noblen Schweizer Festivals gingen an das britische Duo Run Logan Run und die italienisch-nigerianische Sängerin Afra Kane. Eine wahrhaft Montreux-gemäße Jury: Stanley Clarke, Chilly Gonzales, Carl Craig und Chucho Valdés.

Nanna Bech

 

Am 7.11. steht der Kölner Stadtgarten unter nordischem Strom: Danish Vibes – New music from the North, Minifestival und lockerer Branchentreff, präsentiert Jazz, Worldmusic und Pop made in Denmark. Nanna Bech, Kathrine Windfeld, Dawda Jobarteh und Martin Fabricius versuchen, das Phänomen „skandinavische Musik“ musikalisch zu erklären.

www.danishvibes.com