Morgenland Festival

Osnabrück

© Andy Spyra

Von Ralf Döring. Die schönsten Geschenke macht man sich oft selbst. Deshalb hat sich Michael Dreyer zum 15. Morgenland Festival Osnabrück ein paar ganz besondere Momente geschenkt. Dazu zählt ein Akzent beim Eröffnungskonzert: Den zweiten Konzertteil gestalten die Maqam-Legende Alim Qasimov und Michel Godard, der Wanderer zwischen Alter und Neuer Musik, Jazz und Ethno, mit seinem Serpent. Diese Konstellation ist schon an sich ein großes Geschenk, weil hier Maqam-Gesang und westlicher Jazz eine beglückende Synthese eingehen. Das i-Tüpfelchen aber besorgt der Klarinettist Hüsnü Şenlendirici: War er zuvor als Teil des Taksim Trios ein atemberaubender Virtuose, füllt er nun gefühlvoll die Räume, die ihm Meister Qasimov öffnet. Ein gelungener Einstieg ins Jubiläumsfestival.

Auf einen thematischen Leitbegriff hat Dreyer in diesem Jahr verzichtet. Stattdessen hat er eingeladen und in neue musikalische Kontexte gestellt, was ihm in 15 Jahren Festivalgeschichte ans musikalische Herz gewachsen ist. So spielt die NDR Bigband mit dem syrischen Klarinettisten Kinan Azmeh als Gastsolist dessen Kompositionen. Wolf Kerschek hat die Stücke so arrangiert, dass der wuchtige Bigband-Sound und die hochkomplexe Metrik eine mitreißende Synthese eingehen, und Werkshalle 2 des VW-Werks liefert dazu das spektakuläre, wenn auch akustisch nicht ganz unproblematische Ambiente.

Ein weiterer Glanzpunkt: Auf einer Open-Air-Bühne vor dem Dom treffen die Morgenland Allstar Band und das Osnabrücker Symphonieorchester zusammen. Dafür hat Wolf Kerschek im Auftrag des Festivals ein 20-minütiges Stück geschrieben, das den Dialog der Kulturen zum musikalischen Leitgedanken erhebt. Der Titel „Hemdem“, zu Deutsch etwa „Brüder im Geiste“ steht dafür paradigmatisch: Melodien aus Aserbaidschan treffen auf westliche Musik, Jazz auf Klassik, Improvisation auf Komposition. Im Zentrum aber stehen Salman Gambarov aus Baku und Florian Weber – zwei Pianisten, die beim Morgenland Festival wiederholt durch das feinsinnige Zusammenwirken von Gambarovs Sensibilität und Webers zupackender Komplexität begeistert haben.

© Andy Spyra

Den künstlerischen Höhepunkt erspielte indes die syrische Sängerin Dima Orsho. Ihr Projekt Hidwa. Lullabies for Troubled Times ist ein echtes Festivalgewächs und vereint eine Reihe der profiliertesten Musiker. Bodek Janke (dr) und Robert Landfermann (b) repräsentieren die westliche Komponente, Jasser Haj Youssef aus Tunesien schlägt mit Geige und Viola d’amore die Brücke zwischen Ost und West, wie auch Salman Gambarov in seinem Klavierspiel elegant den Jazz mit der Musik seiner Heimat Aserbaidschan verbindet. Als zweites Kraftzentrum neben Dima Orsho prägt Manfred Leuchter die Band – seines Zeichens Akkordeonist von höchsten Gnaden und ebenso munterer wie neugieriger Wanderer zwischen den musikalischen Welten. Gekrönt wird das Projekt aber von Dima Orshos Stimme, ihren rasanten Scat-Soli, ihrer Musikalität, ihrer Expressivität. Bei diesem Konzert stimmt wirklich alles: die Interaktion, die Virtuosität, die Tiefe. Wie gesagt, das Konzert wird zum Höhepunkt des 15. Morgenland Festivals. Und das will einiges heißen bei einem Festival, das letztlich eine Abfolge von lauter Höhepunkten ist.