Nuejazz

Nürnberg

(c) Leon Greiner

Von Christoph Giese. Er hat den Konzertflügel auf der Bühne ganz nach rechts rücken lassen. Um seinen Bassisten Joe Sanders sehen zu können, muss Gerald Clayton schon den Kopf ein ganzes Stück nach hinten links schwenken. Der wahnsinnig kreativ Akzente setzende Drummer Jeff Ballard sitzt gar ganz im Rücken des Pianisten. Aber mit diesem Bühnen-Setting hat Joe Sanders den besten Blick auf die linke Hand des Pianisten. Und so lässt sich traumwandlerisch zusammenspielen. Und genau das tun die drei US-Amerikaner in einem gut einstündigen Set mit zeitlos schöner Jazzmusik und einem sensiblen Anschlag von Gerald Clayton, wie man ihn im Jazz nicht oft hört. Mit Klangsinnlichkeit und herrlich spontanen Interaktionen. Mit tief empfundenen Gefühlen, die wunderschön in Noten gepackt werden. Und mit keiner Note zu viel. Hier geht es nur um die Essenz der Musik. Ein magischer Auftritt.

(c) Leon Greiner

Direkt vor dem Gerald Clayton Trio stand Lakecia Benjamin auf der Bühne. Und die extrovertierte, im silbernen Glitzerfummel gekleidete Altsaxofonistin ist das genaue Gegenteil des Pianisten. Sie stürmt gleich mal an den Bühnenrand und schreit dem Publikum entgegen, was es zu erwarten hat: eine Party. Das Dach soll vom Gebäude fliegen. Dann geht es mit ihrem Quartett los: High-Energy-Jazz im Geiste und sogar aus der Feder von John Coltrane, dessen Namen sie später auch noch mehrfach durch den Saal brüllt. Das ist stark gespielt, ihre Band ist klasse, aber ihre Bühnenattitüde muss man schon mögen. Musikalisch präsentiert sie sich mit ihrer expressiven, spirituellen Musikentrückung und ihrer politischen Haltung als starke Künstlerin, die etwas zu sagen hat.

(c) Leon Greiner

Das Nuejazz feierte in diesem Jahr sein rundes Jubiläum. Zehn Jahre Jazzfestival – dafür bekam es von der Stadt Nürnberg sogar den Kulturpreis verliehen. Die beiden Macher Frank Wuppinger und Marco Kühnl haben ein vielfältiges Festival auf die Beine gestellt, das erstaunlich viele junge Leute anzieht. Das liegt auch an den coolen Konzertorten wie dem historischen Z-Bau, einst von den Nazis als Kaserne gebaut, aber natürlich in erster Linie am Programm. Denn das bot Musik für viele Geschmäcker. Coole Künstler wie den Bassisten und Sänger MonoNeon etwa, der schon mit seiner Kleidung und Kopfbedeckung ein Kunstwerk ist. Und der mit seinem knackigen, deutlich von Prince inspirierten Funk, mit rockiger Attitüde und seinem ungewöhnlichen Bassspiel und schrägen Bassläufen für Gedränge und Begeisterung vor der Bühne sorgte.

Das Berliner Sextett Make a Move brachte sogar 1.000 Leute mit einer von gleich drei Bläsern angetriebenen Partymusik zum Hüpfen. Direkt zuvor zeigte das aus Nürnberg stammende sechsköpfige Kollektiv Ferge X Fisherman & Nujakasha in der prall gefüllten kleinen Galerie des Kulturhauses, wie cool man englischsprachigen HipHop mit lässigen Beats und Jazz zusammenbringen kann.

Eine Vinyl-Lounge am zweiten Hauptspielort, der Kulturwerkstatt Auf AEG, gab DJs die Möglichkeit aufzulegen und dem Publikum einen Ort zum Chillen. Und junge Bands aus der Umgebung und der Region lockten im kleinen Saal der Kulturwerkstatt bei freiem Eintritt Neugierige an. Bei solch einem bunten Angebot ließ es sich verschmerzen, dass der Auftritt des US-Amerikaners Cory Henry und seinen an diesem Abend nur mittelprächtig aufspielenden Funk Apostles im Z-Bau zwar stark begann, dann aber wenig aufregend weiterging.