Oslo World
Oslo
Von Christoph Giese. Sie schreit. Vielleicht ein wenig zu viel an diesem Abend. Und sie ist überwältigt. Vom begeisterten Publikum, das dicht gedrängt vor der Bühne des Parkteatret im hippen Osloer Stadtteil Grünerløkka steht und sie abfeiert. So viel Liebe vom norwegischen Publikum, da möchte sie glatt in der Stadt bleiben, ruft sie von der Bühne herunter. María José Llergo ist ein neuer Star des Flamenco. Die Spanierin singt ihn in Oslo recht puristisch, nur von einer akustischen Gitarre begleitet. Aber dann auch modern und erweitert, von Synthesizern und elektronischen Sounds untermalt.
Zwei Abende später, in der Kulturkirche Jakob, noch ein angesagtes Duo beim diesjährigen Oslo World – Lina_Raül Refree. Die portugiesische Sängerin und der spanische Tastenmann, Produzent und Soundtüftler sind gerade das gehypte Ding in Sachen modernisiertem Fado. Klassiker aus dem Repertoire der großen Amália Rodrigues erfahren eine moderne Neubetrachtung, ohne Gitarren, dafür mit Klavier, Synthesizer, dumpfen Bassbeats aus dem Computer – hier wird traditioneller Fado ins 21. Jahrhundert transportiert. Die Kombination ist verführerisch, weil so anders. Aber sie wiederholt sich nach einer Weile dann doch gerne auch wieder. Dennoch, dass Europa über das Duo spricht, hat seine Berechtigung. Und wie María José Llergo passt es perfekt zum diesjährigen Festivalmotto Rebels.
Seit 2006 ist Alexandra Archetti Stølen für das 1994 noch unter anderem Namen ins Leben gerufene Oslo World verantwortlich. Fast jedes Konzert sagt sie persönlich an, und wie sie das macht, zeigt Hingabe und Liebe zur Musik. Oslo World ist ein Festival, das etablierte Spielstätten in der Stadt nutzt. Vom großen Konzertsaal über das mittelgroße Theater bis hin zu kleinen Clubs und versteckt liegenden gemütlichen Bars und Cafés. Das Hærverk ist so ein kleiner, intimer Ort, an dem einige spannende Acts spielten, etwa das Duo Bedouin Burger. Der libanesische Musiker und Produzent Zeid Hamdan und die syrische Sängerin Lynn Adib begeisterten mit ihrem mal akustisch gehaltenen, mal mit Beats und Elektronik aufgepeppten Arab Pop, der mal tanzbar, mal melancholisch ein Wellenbad der Gefühle beim Zuhören erzeugte. Auch AySay aus Dänemark, mit der kurdisch-dänischen Sängerin Luna Ersahin, überzeugten mit ihrem Mix aus westlichen und orientalischen Klängen, aus akustischen und elektronischen Klängen und Beats, die sie manchmal gar wie eine groovende Rockband klingen ließen.
Mit der Band Ayom um die charismatische brasilianische Sängerin und Perkussionistin Jabu Morales und ihrer transatlantischen, lusophonen Weltmusik hätte die diesjährige Festivalausgabe keinen besseren Schlusspunkt finden können. Das Sextett verkörpert mit Musikern aus Griechenland, Italien, Angola und eben Brasilien Multikulturalität im Line-up wie auch in der Musik. Die ist fast immer tanzbar und sorgte beim begeisterten Publikum für regelrechte Beifallsstürme.
Oslo World ist aber mehr als nur Musik. Seminare, Workshops und Gesprächsrunden ergänzen das Programm. Das Festival hat ein jederzeit spürbares politisches Bewusstsein und stellt auch unbequeme Fragen. Seinen politischen Weitblick zeigt es auch in seiner Unterstützung des 2013 im Libanon entstandenen Beirut & Beyond International Music Festival, das aufgrund der aktuellen Situation im Libanon derzeit eine schwierige Phase zu bewältigen hat.