Olivier Lété © Peter Bastian

Jazzdor

Straßburg

Von Peter Bastian. Nach dem coronabedingt ausgefallenen Jazzdor-Festival 2020 war in diesem Jahr mit Leïla Martial, Sophia Domancich, Eve Risser, Julia Kadel, Luise Volkmann, Maya Homburger, Joëlle Léandre, Anja Lechner und vielen mehr ein Schwerpunkt auf Frauen auszumachen – zeitgemäß. Leider konnte nur, wer in der Stadt wohnt, jedes Konzert besuchen. Doch auch das Verbleibende hatte viele Höhepunkte zu bieten.

Ein traumhaftes Klangtheater bot Ramón López (dr) als Untermalung zu seinen selbst gemalten Bildern. Sein rhythmisches Vokabular fußt sowohl im Jazz als auch in außereuropäischen Traditionen, sein Malstil ist vorwiegend abstrakt und sehr ansprechend. Mit dem Trio Kepler stellte das Festival seine stilistische Bandbreite unter Beweis. Auf zwei Saxofonen, Klarinette, Klavier und Keyboards produzierte das Trio pastellene Klänge am Rande des Schweigens zwischen Morton Feldman und Jazz, die berührten. Michael Wollny ist zweifellos einer der zurzeit besten Pianisten, ausgestattet mit allen technischen Raffinessen, die man sich denken kann. Zwischen „In einem kühlen Grunde“, Tory Amos, Rudolf Hindemith und dem eigenen Stück „Mondenkind“ hat er ein breites stilistisches Spektrum zu bieten. Doch der Soloauftritt des sardischen Gitarristen Paolo Angeli einen Tag später hatte einfach mehr Seele. Mit seinem präparierten Instrument zwischen Gitarre und Cello, zahlreichen Pedalen und Knöpfen und seiner Stimme brachte er ein faszinierendes Klanggebilde zwischen Improvisation und sardischer Folklore zu Ohren. Ebenso fesselnd und einfach schön war, was Eve Risser (p) mit ihrem Red Desert Orchestra präsentierte. Mit fünf Bläsern, Bass, Drums, Gitarre und zwei Balafon-Spielerinnen schuf die Band einen Groove, der zwischen afrikanischer Trance und Jazz pendelte und magisch anzog. Das Quintett der Berliner Pianistin Julia Kadel, in das sie unter anderen die Saxofonistin Luise Volkmann eingeladen hatte, war hingegen nicht so nachhaltig.

Paolo Angeli © Peter Bastian

I‘m Not Your Negro ist ein Dokumentarfilm über Rassismus in den USA von Raoul Peck, basierend auf Texten von James Baldwin. Der unter die Haut gehende Film hatte Bezug zu dem fesselnden Projekt Baldwin En Transit, das die Kompositionen von Stéphane Payen (sax) mit Dominique Pifarély (v), Marc Ducret (g) und den Texten und Stimmen von Mike Ladd, Jamika Ajalon und Tamara Singh verband. Sehr energetisch, laut und begeisternd war der Auftritt von Julien Desprez (g) und seiner Band Abacaxi mit Jean-François Riffaud (b) und Max Andrzejewski (dr). Ein Hoch dem Free-Rock und Noise-Jazz! Da hatten es Barry Guy, Maya Homburger (v), Mette Rasmussen (sax) und Ramón López (dr) anschließend nicht so leicht. Aber auch sie setzten sich durch, mit freier Improvisation, H.I.F. Biber, Kurtág-Miniaturen und Guy als Rezitator von Samuel Becketts Mirlitonnades.

Trompete (Aymeric Avice), E-Bass (Olivier Lété) und ein magischer Drummer (Toma Gouband) bilden das Trio Ostrakinda, das hymnische Kompositionen sowie eine faszinierende Musik zwischen Bitches Brew und freier Improvisation zu bieten hat. Craig Taborn (p) war am besten, wenn sein Trio (Tomeka Reid, vc, und Ches Smith, dr) rein akustisch arbeitete. Auch Biréli Lagrène hätte beim abschließenden Duo-Gitarrenkonzert mit Lionel Loueke den Vocoder besser weggelassen. Das machte aus ihm auch keinen Sänger. Ihre Version von Freedom Jazz Dance bekam immer wieder Szenenapplaus und war ein sehr schöner Abschluss des Festivals.