Jazzfest

Berlin

Dave Douglas © Stefanie Marcus

Von Rolf Thomas. So viele Konzerte wie nie standen bei der 58. Ausgabe des Berliner Jazzfests auf dem Programm. Dabei bezogen die künstlerische Leiterin Nadin Deventer und ihr Team auch die Musikszenen von Kairo, Johannesburg und São Paulo mit ein, deren Künstler durch Livestream-Einspielungen in Berlin präsent waren.

Was man live vor Ort erleben konnte, konnte sich aber auch sehen und hören lassen. Dabei fiel zum Beispiel eine Vielzahl von hochkarätigen Klaviertrios auf. Neben der Schweizer Pianistin Sylvie Courvoisier, die mit Drew Gress (b) und Kenny Wollesen (dr) auftrat, waren das zum Beispiel der indischstämmige US-Amerikaner Vijay Iyer, der im Zusammenspiel mit Linda May Han Oh (b) und Tyshawn Sorey (dr) einen beispiellosen hypnotischen Sog entwickelte. Der schwedische Pianist Bobo Stenson sorgte für einen weiteren Höhepunkt. In fröhlicher Spiellaune mäanderte er durch ein vielschichtiges Programm, in dem Bassist Anders Jormin der ruhende Pol war. Schlagzeuger Jon Fält, deutlich jünger als seine beiden Kollegen, sorgte dabei für manche Überraschung mit in Windeseile herbeigeschafften Utensilien, die sein traditionelles Set ergänzten, und hatte außerdem den Schalk in Nacken: So benutzte er zum Beispiel das Knacken seiner Fingerknöchel als rhythmisches Element und schlug sich gar mit dem Filzschlegel auf den eigenen Kopf (wirklich wahr!).

Den sechsten Teil seines Langzeitprojekts Seven Storey Mountain präsentierte der amerikanische Trompeter Nate Wooley in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Sein ungewöhnlich besetztes Großensemble mit zwei Keyboardern, zwei Geigern, zwei Gitarristen, drei (!) Schlagzeugern und der Pedal-Steel-Gitarristin Susan Alcorn, deren schwebende und heulende Töne sich als zentrales Element erwiesen, sorgte mit einem beständigen Crescendo dafür, dass so mancher Besucher sich die am Eingang verteilten Ohrstöpsel in die Gehörgänge drückte. Die Band schaffte es über Minuten, ein unglaubliches Intensitäts-(und Lautstärke-)Level zu halten, bei dem die Musik zu einem Tosen anschwoll, in dem die Beiträge der einzelnen Instrumente kaum noch auszumachen waren. Ein auf der Empore platzierter sechsköpfiger Frauenchor sorgte für die besinnlichen Momente. Mit seinem Quartett Columbia Icefield, bei dem Alcorn ebenfalls dabei war, zeigte Wooley dann anderntags, dass er auch andere, nämlich viel ruhigere Klangwelten beherrscht.

Nduduzo Makhathini © Stefanie Marcus

Die brasilianische Sängerin und Schlagzeugerin Maria Portugal beschäftigte sich mit populären Songs ihres Heimatlandes, die sie allerdings stark verfremdete. Zur Seite standen ihr dabei eine mit bester Spiellaune ausgestattete Bläserfront, aus der Saxofonistin Angelika Niescier und Trompeterin Heidi Bayer herausragten. Kurz vor Schluss des Festivals sorgte US-Trompeter Dave Douglas mit seiner von Gemälden Jan van Eycks inspirierten Musik noch einmal für eine andere, pastorale Klangfarbe, an der der lässige Front-Porch-Swing des Schlagzeugers Antoine Pierre einen gewichtigen Anteil hatte.