Piano Piano

© Georg Kronenberg

Mittelhessen

Von Hans-Jürgen Linke. Uwe Hager ist selbst Pianist, und er kennt viele wunderbare Pianistinnen und Pianisten. Außerdem leitet er – keineswegs nebenher – die kleine, aber überaus feine und multiple Agentur O-Tone. Man sollte aber den enormen Berg Arbeit nicht unterschätzen, der dem regionalen Festival Piano Piano im Mittelhessischen vorangegangen ist. Heraus kamen sechs Konzerte in den vier Städten und Städtchen Marburg, Lich, Wetzlar und Gießen während einer Woche. Im Mittelpunkt stand das Klavier.

Das Trio mit Florian Weber, Matthieu Bordenave und Patrice Moret versammelte sich in Marburg zu einer ECM Night, in Lich spielten Edgar Knecht und Frederik Köster im Duo, in Wetzlar das Luxemburger Trio Reis Demuth Wiltgen. Als krönender Abschluss folgten drei Abende mit freundlichem Sommerwetter und je drei Open-Air-Acts mitten in Gießen. Ein Solo des finnischen Pianisten Aki Rissanen war würdiger Beginn, und am Ende stand eine denkwürdige „Women Piano Night“. Denkwürdig und bemerkenswert einerseits durch ihre kontrastreiche Konzeption und musikalisch markant vor allem durch ein für den Veranstalter zunächst unangenehmes Ereignis: Johanna Summer konnte krankheitshalber nicht kommen. Aber es fand sich eine Künstlerin, für die kaum ein Wort unangemessener erscheinen könnte als das Wort „Ersatz“: Aki Takase.

Der Open-Air-Situation begegnete sie nicht mit gebremstem Schaum und beschaulicher Sommerabend-Lyrik, sondern ruppig, markant und vehement, mit energetischem Anschlag und einem überwältigenden, hoch verdichteten Fluss von Ideen: freier Jazz als dichte Kette intensiver Ereignisse. Eigene Stücke wie das eröffnende „Thema Prima“ wechselten mit Thelonious Monks „Misterioso“ und Stücken von Duke Ellington, Bachs Goldberg-Variationen tauchten wie Treibgut in diesem reißenden Spielfluss auf und wieder unter. Kurze Ansagen gaben dem Publikum kleine Atempausen und Kostproben eines subtil ironischen Humors, und Aki Takases ungekünstelte Souveränität, ihre scheinbar sich stetig noch steigernde Energie-Verausgabung machte den Auftritt zum unumstrittenen Höhepunkt des Festivals. Danach musste der Flügel noch ein wenig nachgestimmt werden.

Das Duo Candour, bestehend aus der Pianistin Clara Haberkamp und der Bassistin Lisa Wulff, hatte den Abend eröffnet. Die tonal nicht allzu gewagte, aber wunderbar filigran und präzise gespielte Musik des Duos ließ ein Spiel-Konzept verfolgen, das den Erwartungen eines Open-Air-Publikums nach Kurzweil und Klangschönheit entgegenkam und seine Raffinesse im Detail und in einer elastischen und feinsinnigen Spielweise suchte und fand.

Den Abschluss des Abschluss-Abends machte die niederländische Pianistin Annelie, die mit einem lyrisch-melodischen, entspannten Chillout daherkam. Rhythmisch eher geradeaus oder walzernd und nur selten die Dur-Moll-Grenzen verlassend, formte Annelie ihr Set aus liedhaften Stücken locker, mit seidenfadigen Überleitungen und ohne heftigere dramatische Ambitionen, während eine Horde übermütiger junger Mauersegler um die umgebenden Dächer kreischte.