Pier Audio

Nicht von der Stange

Franzosen können Haute Couture. Diese Modespielart ist – im Gegensatz zur Prêt-à-porter – individuell und handgefertigt und bewegt sich meist im obersten Preissegment. Diese Königsdisziplin beherrschen natürlich auch einige HiFi-Hersteller. Inkludiert ist auch hier meist ein entsprechendes Preisschild, muss aber nicht.

Von Peter Steinfadt

Wir fühlen heute einem optisch schnörkellosen Kompaktlautsprecher vom französischen Hersteller Pier Audio auf die Anschlussklemmen und forschen nach dessen „akustischer Seele“. Der recht unscheinbare Wandler Filante 13 ist ein Charmeur alter Schule mit modernen, wohlabgestimmten Ingredienzen. Die händisch hergestellten Lautsprecher in Kleinstserie liegen bei rund 1.400 Euro für das wohlfurnierte Paar. Das ist erstaunlich und mehr als erfreulich für ein echtes Haute-Couture-Manufakturprodukt. Hier müssen Verrückte im positiven Sinne am Werk sein, die mit viel Liebe ein hervorragendes Produkt herstellen.

Der optisch dominante Breitbandlautsprecher wird im höheren Frequenzbereich durch einen 25-mm-Kalotten-Hochtöner ergänzt. Versteckt werden die beiden Treiber durch einen Staubschutzrahmen, der dankenswerterweise per Magnet am Gehäuse befestigt wird und so unschöne Bohrlöcher vermeidet. Das MDF-Gehäuse kommt in einem Echtholz-Furnier daher. Unser 1,5-Wege-Kompaktlautsprecher mit Bassreflexöffnung ist zwar nur 34 Zentimeter hoch und 27 Zentimeter tief, aber mit 7,3 Kilogramm Gewicht ein ziemlicher Brocken für diese Größe. Der Übertragungsbereich von 45 bis 20.000 Hz sowie der hohe Wirkungsgrad von 90 dB an 8 Ohm versprechen die Abbildung von Musik über fast den gesamten Frequenzbereich und eine leichte Betreibbarkeit auch mit weniger wattpotenten Verstärkern.

Bei der Abstimmung der Filante 13 verlässt sich Pier-Audio-Entwicklungsingenieur Olivier Ostré auf sein Gehör und weniger auf Messtechnik. Klingen diese Lautsprecher deswegen gut? Wir stellen sie im wohlgeformten Stereodreieck auf hochwertige Ständer und hören mal intensiv rein. Die Aufnahme Live at Fabrik Hamburg (Jazzline, 2023) des im vergangenen Jahr verstorbenen Pharoah Sanders ist eine mitreißende Quartettperformance vom 6. Juni 1980. Sanders‘ Überblastechnik und seine Zirkularatmung sind auf diesem wichtigen Tondokument sehr schön eingefangen und werden von den Filante 13 ganz wunderbar und frei in den Raum gestellt. Schon nach wenigen Momenten zeigt sich, dass diese Lautsprecher universell und unproblematisch sind und frei von Artefakten sehr natürlich aufspielen. Sie möchten den Hörer packen und zum aktiven Hören verführen. Effekthascherei liegt ihnen fern. Der Jazzhit „The Creator Has a Masterplan“ wird so emotional und intellektuell erlebbar. Der additive Superhochtöner sorgt für den notwendigen Hochtonglanz, ohne jedoch ins Zischelige zu gehen. Die Pier Audio spielen sauber, weitestgehend neutral und organisch mit einem Schuss Wärme im Mittenbereich. Schön fürs Ohr, so dass man schnell vergisst, dass es sich hier um Konstruktionen handelt, die mit herkömmlicher HiFi wenig zu tun haben – die Musik steht immer im Vordergrund.

Um klangliche Balance geht’s auch bei der Aufnahme eines weiteren Jazzgiganten: Miles Davis. Der Albumklassiker My Funny Valentine: Miles Davis in Concert (MFSL, 2017) ist eine wahre High-End-Perle und auf 180-Gramm-Vinyl gepresst. Die superbe Klangqualität des Albums transportieren die beiden Franzosen mühelos, und die Abbildung des Geschehens steht ebenso mühelos im Raum, ganz so, als gäbe es gar keine Lautsprecher. Die Ortungsschärfe der einzelnen Instrumente ist hervorragend: Ron Carter zupft seinen Bass in der richtigen akustischen Größendimensionierung. Hier wird nichts aufgedickt, nichts übertrieben – live dabei und mittendrin.

Wer also unaufdringliche, ausgewogene Lautsprecher sucht, sollte sich mit den Wandlern von Pier Audio näher beschäftigen. Und natürlich auch solche Musikliebhaber, denen Manufakturprodukte am Herzen liegen und die nicht von der Stange kaufen möchten. Man hört die Menschen, die das Produkt entwickeln, und nicht die Technologie.

Website:

dietmar-hoelper.de