Jazzfestival

Saalfelden

Joe McPhee © Frank Schindelbeck

Von Reinhold Unger. Wie lässt sich ein junges Publikum für den Jazz gewinnen und damit die Zukunft eines Festivals langfristig sichern? Diese Frage treibt Mario Steidl seit einiger Zeit um. Nun leitet Steidl nicht irgendein mit Anlaufschwierigkeiten kämpfendes Start-up-Event – er ist Intendant des renommierten und auch im 39. Jahr wie immer ausverkauften Jazzfestivals Saalfelden.

Festivals wie Saalfelden zehren von einem treuen Stammpublikum, das viele seiner Improvisationsheroen in den 80er und 90er Jahren entdeckt hat und seitdem mit diesen in Ehren ergraut ist. Viele Größen der New Yorker Szene – stellvertretend seien die Saxofonisten Tim Berne, Steve Coleman und Henry Threadgill genannt – haben in Saalfelden immer wieder neue Bands und Exklusivprojekte vorgestellt und mit historischen Erst- und Einmalbegegnungen viel zum Weltruf des Festivals beigetragen. Statt auf verlässliche Höhepunkte arrivierter Großmeister will Steidl künftig verstärkt auf unbekanntere Bands setzen, die musikalisch und habituell Brücken schlagen zu einem jüngeren, mit Rock und HipHop sozialisierten Publikum. Dazu zählten diesmal etwa der streng kalkulierte Minimal Art Rock des Schweizer Trios Schnellertollermeier, der sehr auf Pointen und Effekte abzielende Spaßpunkjazz von Kuhn Fu oder die virtuos alle Genregrenzen sprengende Vokalartistin Leïla Martial. Parallel zum Hauptprogramm gab es im Kulturzentrum Nexus bei freiem Eintritt Konzerte mit im weitesten Sinne jazzaffiner Musik – ein niederschwelliges Schnupperangebot für Einsteiger und, gemessen am vollen Haus, ein Erfolg.

Wenn man in Saalfelden alte Zöpfe abschneiden und ungeschriebene Festival-Abos kündigen will, dürfte man sich mit den Auftritten zweier verbliebener Festival-Veteranen bestätigt sehen, dabei künftig noch konsequenter zu sein: Marc Ribot und Elliott Sharp griffen neben der Gitarre auch immer wieder zum Gesangsmikro und bestätigten damit vor allem, was nicht ihre Kernkompetenz ist. Fairerweise muss man ergänzen, dass Sharps spontan zustande gekommenes (rein instrumentales) Duo mit Schlagzeuger Lukas König in der Nebenreihe Short Cuts eines der Highlights war.

Leila Martial © Frank Schindelbeck

Wie überhaupt die Short Cuts in diesem Jahr die meisten nachhaltig in Erinnerung bleibenden Höhepunkte boten. Das gilt für den feinnervigen, frei improvisierten Kammerjazz von Chamber 4 ebenso wie für das so furios wie raffiniert rockende Quartett Kuu! und auch die höchst originelle Klangsprache, die der Klarinettist, Komponist und Rapper Vincent Pongracz für seine Synesthetic 4 entwickelt hat. Ähnlich überzeugende Auftritte gelangen auf der Hauptbühne allenfalls Tomas Fujiwaras Triple Double, die in ungewöhnlicher Besetzung – je zwei Mal Trompete (bzw. Kornett), Gitarre und Drums – Komplexität und Vitalität perfekt zur Deckung brachten, und auch Erik Friedlander, dessen von Picassos Absinth-Skulpturen inspirierte Kompositionen ein mit Uri Caine, Mark Helias und Ches Smith prominent besetztes Quartett geradezu rauschhaft umsetzte.

Saalfelden befindet sich in einer Umbruchphase. Man darf gespannt sein, wie weit bzw. wie überzeugend man bis 2019, wenn mit dem 40. ein runder Geburtstag gefeiert wird, auf diesem Weg vorankommt.