Exposure XM 5
Sachlicher Alleskönner
In globalisierten Zeiten austauschbarer Produkte, in denen nicht nur die Frikadellenbrötchen großer Konzerne von Hamburg bis Sydney gleich schmecken (okay, es gibt vielleicht kleine Nuancen), ist es eine Wohltat, mal wieder einen HiFi-Vollverstärker mit Charakter in die Ohren zu bekommen. Und der kommt (natürlich) aus England und ist ein echter „handmade“ Exposure.
Von Peter Steinfadt
Die Marke Exposure aus der Grafschaft West Sussex im Süden Englands ist seit 1974 bekannt für hochmusikalische Verstärker und richtet sich nicht nur an Anglophile mit Sinn für Spleens und das Besondere, auch wenn der XM 5 mit einigem Eigensinn in den technischen Lösungen aufwartet. Versuch eines Steckbriefs: Das ist ein sehr sachlicher Verstärker ohne optische Gimmicks. Ein Produkt im Schuhkarton-Design ohne lautstarke Marketing-Flankierung. Breite 21,8 cm, dafür recht tief mit 36,3 cm. In ihm stecken 2 x 60 Watt, geliefert aus einer rein analogen Leistungsendstufe mit fettem Ringkerntrafo, ein eingebauter High-Res-DAC mit 192 kHz/24 Bit und DSD, fünf digitale und zwei analoge Eingänge und eine MM-Phonostufe, die nicht nur eine Alibi-Funktion besitzt, sondern richtig gut klingt.
Das Fünf-Kilo-Gerät verfügt ferner über einen Analog-Ausgang zum Einschleifen eines Subwoofers oder für die Möglichkeit zum Bi-Amping sowie einen festen AV-Eingang, der auch Heimkinofreunden exzellenten Stereo-Klang liefert. Aber ein Exposure wäre kein Exposure, wenn er Tests mit tollen Messwerten nicht vergessen machen würde (der XM 5 hat durchweg sehr gute Daten) und man sich einfach dem Hörgenuss hingeben könnte. Der kleine Alleskönner im schlichten Gewand pflegt eine spritzige, dynamische Gangart und hebt sich damit wohltuend von den glattgebügelten Massenprodukten der Wettbewerber ab.
Hören wir mal rein. Aus Manchester, der wunderbaren Industriestadt, die u.a. die Ikonen Joy Division und The Smiths gebar, kommt das schwer angesagte Fusiontrio GoGo Penguin. Die neue, selbstbetitelte Platte (Blue Note, 2020) ist noch wilder als die Releases zuvor, und die Jungs scheinen die dreifache musikalische Reinkarnation des berühmten Zappelphilipps aus dem Struwwelpeter zu sein. Die Musik, nennen wir sie elektronische Dance Music mit treibenden akustischen Instrumenten, ist sprudelnd und meist ruhelos. Diese Aufnahmen sind ein gefundenes Fressen für den Exposure. Der XM 5 brilliert hier mit ausgezeichnetem Timing und einem exzellenten Rhythmusgefühl – der nahezu ideale Partner für die drei GoGo-Pinguine, deren Sounds durch alle Fasern des Körpers treiben. Langeweile spielt woanders.
Nicht vergleichbar, aber doch vom Ansatz her durchaus verwandt ist die neue Scheibe von Yello. Auf Point (Polydor, 2020) mischen sich in typischer Yello-Manier wieder dadaistischer Nonsens und treibende Dance-Beats. Die Aufnahme der beiden Schweizer zeigt, was heutzutage produktionstechnisch so alles möglich ist, und kann getrost als audiophile Referenz genommen werden. Die besondere Musikalität des kleinen Engländers überzeugt auch hier durch eine besonders plastische sowie detailreiche räumliche Abbildung, und zwar über beiderlei Verstärkerkanäle, einem digitalen und dem integrierten analogen Phonozweig. Die Bassattacken – und davon gibt’s auf der neuen Yello natürlich eine ausreichende Anzahl – kommen über den Amp genau und zackig, wenn sie auch nicht in den tiefsten Keller reichen. Das macht aber nichts, denn der Verstärker serviert keine Mogelkost mit aufgehübschtem Oberbass (der Bass-„Schwärze“ suggeriert), sondern bleibt immer neutral, exakt und voller Spielfreude in allen musikalischen Lagen.
Diese Aussage gilt im Übrigen genreübergreifend. Als Opernliebhaber höre man eine beliebige Aufnahme mit der deutsch-britischen Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf, die für ihre Besessenheit von Artikulationsklarheit und sauberer Phrasierung bis in höchste Höhen bekannt ist. Hier erlebt der/die geneigte Hörer*in eine ganz vortreffliche Feinauflösung und Neutralität, die den gesanglichen Intentionen der großen Sängerin gerecht wird. Aber Obacht: Limitierende Faktoren beim heimischen Musikgenuss können die Spielpartner sein. Passende Lautsprecher und sehr gute Zuspieler sind ein Muss. Am Exposure XM 5 soll‘s jedenfalls nicht liegen. Er serviert Schmackhaftes jenseits des Mainstreams. Anhören lohnt, denn schon die alten Chinesen wussten: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Der Verstärker kostet 1.498 Euro (UVP).
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