Esche

Auftauchen aus dem Wasser

Seit 2013 gibt es das Kollektiv Esche, das mit Geige, Kontrabass und Klavier eine recht ungewöhnliche Trio-Formation darstellt. Mit Unter und über Wasser bringen die drei jungen Musikerinnen ihr drittes Album heraus, das unter ganz besonderen Umständen zustande gekommen ist.

Von Verena Düren

Eigentlich mag Lisa Hoppe die Frage nicht mehr, wie es denn so sei, sich als junge Frau mit Kontrabass in der Jazzwelt zu behaupten. Aber zum Glück sind wir beide Frauen und daher ist die Frage kein Fettnäpfchen. Lisa Hoppe räumt ein, dass es leider immer noch viel zu wenige Bassistinnen in der deutschen Jazzszene gibt. Doch war ihr dies zunächst gar nicht aufgefallen: „Für mich war es gar keine große Frage, Kontrabass zu spielen. Meine Familie war recht musikalisch, und für mich war es völlig normal, Bass zu spielen.“ Musikalisch gesehen ist die 31-Jährige eine Allrounderin: Nach den ersten Anfängen mit Blockflöte und Klavier war es dem guten Musikangebot in der Schule zu verdanken, dass sie schließlich beim Bass landete: „Ich hatte mir autodidaktisch das Gitarrenspiel beigebracht, aber da in der Schulband Gitarre schon belegt war, habe ich dann E-Bass und später auch Kontrabass gespielt.“

Mit der Berufswahl wurde dann klar, dass ihr Weg vielleicht gar nicht so selbstverständlich war: „Als es noch um die Musik als Hobby ging, waren es ungefähr gleich viele Mädels und Jungs. Aber das änderte sich, als es darum ging, die Musik zum Beruf zu machen“, so Hoppe. „Und es ist tatsächlich ein prekärer Beruf, den wir haben. Und das nicht nur während Corona. Vermutlich wird sehr vielen jungen Frauen von ihrem Umfeld, der Gesellschaft, ausgeredet, diesen Weg beruflich einzuschlagen – und wenn es auch nur aus familiären Gründen ist.“ Sie berichtet über zahlreiche Kommilitoninnen, die mit ihr gemeinsam begonnen, aber das Studium abgebrochen haben. Andere wiederum unterrichten, was nicht weniger wichtig, aber wesentlich weniger sichtbar ist als die (Männer-)Karrieren auf der Bühne. „Eigentlich ist es frustrierend, dass das Genderthema immer noch so präsent ist. Hierzu gibt es auch Studien, die zeigen, dass Deutschland da noch weiter zurück ist als manch anderes Land.“

In so manch anderes Land hat es Lisa Hoppe im Laufe ihres Werdegangs verschlagen: Nach dem Studium in Bremen ging sie zu weiteren Studien nach Bern. Inzwischen hält sie sich immer wieder auch in New York auf. Das Kollektiv Esche gründete sie 2013 mit den Geschwistern Laura (v) und Luzius (p) Schuler, die sie in Bern kennenlernte. „Dadurch, dass die beiden Geschwister sind, ist das Zusammenspiel sehr besonders. Außerdem sind wir alle drei stilistisch sehr offen und komponieren auch alle selbst.“ Die Besetzung mit Geige, Klavier und Kontrabass ist fast schon klassisch, und tatsächlich erinnert die Musik auf dem neuen, dritten Album Unter und über Wasser immer wieder auch an zeitgenössische Neue Musik. In ein bestimmtes Genre wollen Esche gar nicht passen: „Am ehesten würden wohl die Begriffe Modern Creative oder auch Neue Musik passen“, sagt Hoppe lachend. Wichtig ist ihnen bei aller Virtuosität und Experimentierfreude, dass die Musik auch mal „nur schön“ sein darf, Hörer und sie selbst ankommen und ausruhen.

Speziell ist die Arbeitsweise als Kollektiv: „Bei uns gibt es keinen Bandleader, was bedeutet, dass wir alle Bereiche unter uns aufteilen und alles gemeinsam entscheiden. Das ist gelegentlich etwas anstrengend, aber auch das Produkt ist am Ende ein ganz anderes. Unsere Musik kommt aus drei Gehirnen, drei Ideenlagern, wenn man so will.“ Aus den drei Ideenlagern kommen auch die Erfahrungen, die drei junge Menschen zwischen dem letzten und dem neuen Album gemacht haben. Alle drei waren in der Zwischenzeit im Ausland unterwegs, ob nun in den USA, Frankreich oder Skandinavien. „Überall haben wir etwas mitgenommen, unsere Erfahrungen spiegeln sich wider. Die früheren Alben waren eher klassisch, dagegen hat sich unsere Soundästhetik inzwischen gewandelt.“, erklärt Hoppe. Auch gemeinsame Tour-Erfahrungen hat das Trio auf dem neuen Album verarbeitet, so beispielsweise in den beiden kurzen Intermezzi „Avesta“, benannt nach einer kleinen Stadt in Schweden, wo Esche im vergangenen Jahr gespielt hat. Lediglich drei der elf Tracks auf Unter und über Wasser sind vorab auskomponiert – der Rest ist gemeinsam im Studio und somit im Moment entstanden.

Die Sache mit dem Moment ist in diesem Fall sogar fast wörtlich zu nehmen, denn die Corona-Pandemie erschwerte die geplante Umsetzung der Aufnahmen: „Ich war gerade erst aus den USA gekommen, musste zunächst noch in Quarantäne und wurde zu allem Überfluss dann auch noch krank.“ Am Ende war der Zeitraum für die Aufnahme auf wenige Tage zusammengeschrumpft. „Eine gewisse Dringlichkeit ist mit Sicherheit bei der neuen Platte zu spüren. Wir haben sehr viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen, doch das ist ja nicht unbedingt so schlecht“, sagt Hoppe. So bekommt der titelgebende Track „Unter und über Wasser“, in dem es um den Kontrollverlust im Leben und das anschließende Auftauchen geht, eine ganz andere, noch einmal aktuellere Bedeutung.

Aktuelles Album:

Esche: Unter und über Wasser (Jazzhausmusik / Galileo)