Sommerton

Schloss Diersfordt, Wesel

© Guido Diesing

Von Guido Diesing. Von „Take Five“ zu „Satisfaction“, von „Volare“ über „Lady Madonna“ zu Puccinis „Nessun Dorma“ – wie Pianist Stefano Bollani in seinem Solokonzert zehn spontane Publikumswünsche in einem ausgedehnten Medley miteinander verwob, sich von Thema zu Thema hangelte, vorwegnahm und zurückgriff, war ebenso abenteuerlich wie begeisternd. Dass das Konzert des Italieners beim Sommerton-Festival dennoch nur ein Höhepunkt unter mehreren war, zeigt, auf welchem Niveau das Programm im Konzertzelt am Schloss Diersfordt wieder einmal stand.

Schon der Freitag hatte einiges zu bieten. Nachdem der chinesische Pianist Luo Ning im Auftaktkonzert ein gefälliges, aber wenig denkwürdiges Deutschlanddebüt absolviert hatte, zeigte das Motion Trio den staunenden Zuschauern, wie vielfältig sich drei Akkordeons kombinieren lassen. Mit Gastpianist Leszek Możdżer und einer Mischung aus Chopin, Jazz und Minimal Music lieferten die Polen ein publikumsträchtiges Programm, das sich im perkussiven Finale in stampfende Techno-Rhythmen steigerte. Dass dies ohne jede Hilfe von Elektronik und Computern geschah, war fast ein Sinnbild für ein Festival, das seinen besonderen Charme aus dem liebevoll Handgemachten zieht. Anschließend baute der tunesische Oud-Virtuose Anouar Brahem mit seinem Quartett Brücken zwischen Ost und West, Tradition und Moderne und verband vielfältige Einflüsse in einem originellen Bandklang. Immer wieder scherte darin eine einzelne Stimme aus dem Unisono aus, sei es die Laute, die Bass-Klarinette (Klaus Gesing) oder der E-Bass (Björn Meyer), entfernte sich, schaffte mit Gegenmelodien Kontraste und näherte sich wieder an, um sich aufs Neue im Gesamtklang einzugliedern. Trotz ihrer Eleganz und Sanftheit hielt die Musik die Zuhörer mit unterschwelliger Spannung gefangen. Auch beim Trio Biondini-Godard-Niggli übertrug sich die Spielfreude der Musiker unmittelbar auf die Besucher, die mit spürbarem Spaß dem Treiben der so unterschiedlichen Charaktere folgten. Expressiv Luciano Biondini (acc) mit deutlicher Vorliebe für ausgefallene Taktarten, geerdet und stoisch Michel Godard (tuba, e-b, serpent) und hellwach lauernd der einfallsreiche Lucas Niggli (dr). Ob Coltrane, Toots Thielemans, Brad Mehldau oder Händels rührende Arie „Lascia ch’io pianga” – bei ihnen war alles in guten Händen.

Beim sonntäglichen Abschlusskonzert spielte mit Rolf Lislevand ein Spezialist für Alte Musik in der Schlosskirche und entführte das Publikum mit Barockgitarre, Chitarrone und Erzlaute ins 16. und 17. Jahrhundert. Nach etwas fahrigem Beginn fand der Norweger bald die nötige Ruhe und Souveränität und machte das Konzert zudem mit kenntnisreicher Moderation zur lehrreichen Angelegenheit. Weit weniger erfreulich waren die Worte von Festivalleiter Wilfried Schaus-Sahm, der den Zuschauern mitteilte, möglicherweise sei das Konzert das letzte der Sommerton-Geschichte gewesen. Die Finanzierung für das kommende Jahr ist nicht gesichert. Die Hoffnung liegt nun darauf, dass sich die öffentliche Anerkennung seitens Stadt und Land neben lobenden Worten auch in finanzieller Hinsicht niederschlägt.