The London Column

Hier auf der britischen Insel feiern wir dieses Jahr das Zusammenkommen mehrerer Initiativen zur Chancengleichheit von Frauen bei der Programmierung und der Nachwuchsförderung im Jazz. Für das Jazz Legends Festival, das im Mai in Birmingham stattfand, gestaltete Phil Rose das Programm ausschließlich mit Gruppen, die von weiblichen Instrumentalisten geführt wurden. Sein Kommentar: „Es war überhaupt nicht schwierig, weil es hier im UK so viele begabte Frauen gibt, die eine erfolgreiche Band leiten.“ Unter den Auftretenden waren die Pianistin Kate Williams, die Harfenistin Alina Bzhezhinska und die Saxofonistin Allison Neale mit ihrem Paul-Desmond-Gerry-Mulligan-Projekt.
Ros Rigby vom Europäischen Jazz Netzwerk (EJN) erwähnte die Keychange-Initiative von der PRS for Music Foundation, dem wohltätigen Arm des britischen Äquivalents zur GEMA. Diese Initiative nimmt die für die Programme Verantwortlichen in die Pflicht, sich bestimmte Ziele zu setzen. So hat sich zum Beispiel das Jazzfest in Manchester als Unterzeichner von Keychange verpflichtet, bis 2022 bei der Programmierung eine 50/50-Geschlechtergleichstellung zu erreichen. Im März leitete Rigby selbst eine Veranstaltung zu diesem Thema am Rande des Jazz-Festivals in ihrer Heimatstadt Gateshead. Als Vorsitzende des EJN macht sie ihren Einfluss geltend für ein europaweites Manifest für die Geschlechtergleichstellung im Jazz, das dieses Jahr in Lissabon auf der alljährlich stattfindenden Konferenz verabschiedet werden soll.
Hauptsprecherin in Gateshead war die Komponistin, Saxofonistin und Bandleaderin Issie Barratt, eine unermüdliche Verfechterin der Gleichstellung der Geschlechter. Sie ist seit zehn Jahren für die künstlerische Leitung des National Youth Jazz Collective (NYJC) zuständig. Aufbauend auf einem eigenen Forschungsprojekt, entwickelt sie Strategien, die helfen sollen, bestehende Barrieren für Frauen zu eliminieren. Barratt weiß nur zu gut, wie Frauen schon während des Musikstudiums und später beim Übergang in die Berufswelt die Motivation verlieren: „18-jährige Musikstudentinnen, die ich vom NYJC kenne, fragen mich, wie es sein könne, dass an den Musikhochschulen das Studium von Männern konzipiert und gelehrt werde und die Musik, die sie spielen, von Männern komponiert worden sei.“ Barratt hat ein Stipendium ins Leben gerufen, das dem weiblichen Nachwuchs den Einstieg als Jazz-Promoter erleichtern soll. Sie sagt: „Wir müssen Eigeninitiative entwickeln. Meine Strategie ist, mehr als Frauen zu finden und sie zu unterstützen. Das Wichtige ist, einen Wandel der Kultur zu bewirken.“

Jazzjournalist Sebastian Scotney betreibt die Website www.londonjazznews.com und macht Podcasts und Dokumentarberichte fürs Radio.