The London Column
Von Sebastian Scotney
Zurzeit bestimmen unstabile Verhältnisse, Wandel und Ungewissheit das britische Leben. Das gilt auch für unsere kleine Jazzwelt. Ich bin jedoch immer wieder beeindruckt davon, wie die Jazz-Promoter, die häufig auch noch ehrenamtlich arbeiten, sich den sich ständig ändernden Umständen anpassen. Typisch ist ein Komitee, auf dem es Leute gibt, die Anträge für öffentliche Gelder schreiben können, eine Liste mit Post- und Mailadressen von möglichen Unterstützern und viel Willenskraft, Durchhaltevermögen und Liebe zur Musik. Und so geht’s los.
Ein gutes Beispiel ist das Jazzfestival im pittoresken Städtchen Swanage an der Küste von Dorset. Da der Begründer und langjährige Organisator, Fred Lindop, sich keine Gedanken um seine Nachfolge gemacht hatte, sagte er in einer Presseerklärung voraus, das Festival von 2017 werde „das 28. und letzte“ sein. Es kam aber anders. Der rührige Gitarrist Nigel Price übernahm 2018 als Direktor, beschaffte £20.000 durch Crowdfunding und machte weiter. Er übernahm sich aber – und legte das Amt nieder. War das das Ende? Mitnichten. Der erfahrene Promoter Paul Kelly erschien auf der Szene und veränderte einiges radikal. Das Resultat: Vor Kurzem hat ein erfolgreiches 30. Festival stattgefunden.
Ein weiteres Festival, das sich immer wieder neu erfinden musste, ist Herts Jazz. Die treibende Kraft hier ist der Schlagzeuger Clark Tracey, Sohn des großen Stan Tracey, um den sich eine Gruppe ehrenamtlich tätiger Aktiver gesammelt hat. Dieses Jahr wird das Festival schon zum zweiten Mal den Ort wechseln müssen. 2011 begann alles in Welwyn; 2018 musste man dann nach Letchworth umziehen, und dieses Jahr wird Bishop Stortford, nicht weit von Stansted Airport, der Standort sein. Das Programm für den 27. bis 29. September ist vielversprechend: Seamus Blake wird mit seiner neuen französischen Band auftreten. Es wird Tribute zu Ronnie Scott‘s 60-jährigem Bestehen geben. Clark Traceys Gruppe wird Songs von berühmten Alben von 1959 spielen.
Nicht zu vergessen ist Guildford, ein Städtchen im Südwesten von London, dessen Ambitionen noch in den Kinderschuhen stecken. Ein ganz neues Jazzfestival unter der Schirmherrschaft von Bill Bruford wird hier im März 2020 stattfinden. Die treibende Kraft hinter diesem Projekt ist die Kontrabass spielende Jazz-Promoterin Marianne Windham, die ursprünglich aus Hamburg stammt, aber seit ihrem vierten Lebensjahr in Großbritannien lebt. Sie verschmähte eine Karriere im IT-Consulting und hat seit 2011 etwa 250 erfolgreiche Gigs organisiert. Sie gibt zu, dass dieses neue dreitägige Festival eine Herausforderung ist. „Ich frage mich, worauf ich mich eingelassen habe“, lacht sie. Wir wünschen ihr ein gutes Gelingen.
Jazzjournalist Sebastian Scotney betreibt die Website www.londonjazznews.com, die dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert.