In jeder Ausgabe der JAZZTHETIK werden die aktuellen CD und DVD Neuerscheinungen aus Jazz, Weltmusik, Elektronik, Blues, u.v.m. vorgestellt. Neben den Einzelvorstellungen gibt es auch Kolumnen zu speziellen Themen. Hier finden Sie 3 ausgewählte Rezensionen zum Probelesen!

Iiro Rantala HEL Trio
Tough Stuff
ACT / Edel:Kultur
5 Sterne

Fast 20 Jahre ist es her, dass Iiro Rantala sein Trio Töykeät aufgelöst hat, eines der spieltechnisch versiertesten, lustigsten, dynamischsten Pianotrios der Jazzgeschichte. Es gab nicht wenige Fans, die diese Band schmerzlich vermisst haben. Doch nun kommen freudige Nachrichten, denn der finnische Tastenfeger mit dem kräftigen Schalk im Nacken hat ein neues Trio-Projekt am Laufen. Für sein HEL Trio (benannt nach dem Kürzel des Flughafens Helsinki) sicherte er sich die Mitwirkung von Conor Chaplin (b) und Anton Eger (dr), der so verlässlichen wie feinnervigen Sidemen von Marius Neset. Der neue Rantala-Dreier setzt – ganz entgegen der romantisierend-meditativen Ästhetik so vieler Pianotrios – auf Tempo, Dichte, Humor, Explosivität und Hyperaktion. Das klingt nach Bop, Funk und Attacke – und wenn es mal romantisch wird, dann nicht auf die modisch verdünnte Weise, sondern gleich richtig: mit Übertreibung, Spaß und Pathos. Niemand spielt so kreativ und lustvoll mit den Stilistiken wie Iiro Rantala, der scheinbar 20 verschiedene Pianisten in sich versteckt hält. Auch seine Stücktitel und Stückkommentare sind wie gewohnt voller Witz. Für mich: das Pianotrio-Album für die einsame Insel ohne Internet (falls es sie noch geben sollte).
Hans-Jürgen Schaal

Birgitta Flick & Antje Rößeler
Sending a Phoenix
wismArt / NRW
4 Sterne
Melodisch und fließend beginnt „Die Eröffnung“, um nach wenigen Augenblicken in eine Soundcollage zu wechseln. Somit macht das Duo bereits in der ersten Minute der Veröffentlichung klar, was die Zuhörenden erwartet. Aus dem Wechsel von eingängigen Melodien, Grooves und durch Interaktion gestaltete Sounddialoge spinnt sich ein roter Faden, der sich durch das gesamte Album zieht. Entsprechend der Mythologie des Phönix, der in einem wiederkehrenden Kreislauf verbrennt, stirbt und aus seiner Asche wieder neu entsteht, kreist auch die Musik auf
Sending a Phoenix um Schönheit, Schmerz, Wechsel und Neubeginn. Die beiden scheint weit mehr zu verbinden als technische Perfektion und ein Studium an der Königlichen Hochschule in Stockholm. Birgitta Flick am Tenorsaxofon und Antje Rößeler am Piano schaffen einen Sound, bei dem Melodielinien und Klänge organisch verweben und – wie in „Pulsations“ – Zeit haben, sich im Raum zu entwickeln. Beispielhaft dafür ist auch der Titel „Bild“, bei dem stilistische Grenzen verwischen und die Zuhörenden in phantasievolle, vielleicht längst vergangene Zeiten entführt werden. Die Musik ist jedoch auch in fließenden und pulsierenden Grooves verwurzelt wie beim passend betitelten „Adventurous Groove“. Sending a Phoenix ist ein Album, das um sich kreist, ohne auf der Stelle zu treten.
Thomas Bugert

Ron Spielman

Lifeboat
Galileo MC

4 Sterne

Ron Spielman, 1964 in Schweinfurt geborener Sohn eines US-Amerikaners und einer Deutschen, spielt Gitarre und singt, seit er 14 Jahre alt ist. Seine musikalischen Vorlieben waren schon immer Blues, Soul, Jazz, Rock und Funk – er fühlt sich überall zu Hause und brachte genau das von Anfang an immer auch in seiner Musik rüber. Sein Debüt „Skin & Wire“ (1991) gehörte zu den ersten CDs, die ich rezensiert habe, und neben seiner dezent an Sting erinnernden Stimme hat mich schon damals Rons E-Gitarrenspiel absolut fasziniert. Zwischen so unterschiedlichen wie hochkarätigen Inspirationsquellen wie Jimi Hendrix, Mahavishnu Orchestra und Cream sein eigenes Ding zu machen, ist schon eine Herausforderung. Die besteht Ron Spielman bis heute. Er klingt nie nach akademischem Lernen, sein Spiel ist einfach echt, cool, relaxt, ganz egal, ob er clean perlige Licks oder zerrende Blues-Rock-Riffs abliefert. Bei allen Vorlieben für die afroamerikanischen Wurzeln der heutigen Popmusik hat Spielman auf seinem 15. Album den Fokus auf klassischen US-Mainstream-Rock mit Singer/Songwriter-Touch gelegt. Dass er auch das sehr gut kann, zeigt sich direkt im energetischen Opener „Beyond a Doubt“ samt virtuosem Solo. Er groovt ganz wunderbar in „Will I Ever Know Why?“ und überzeugt ebenso in der berührenden Ballade „You’re a Special One“. Diese etwas ruhigeren, souligen Tracks – auch das großartige „How High Can We Take It“ – bleiben seine wirkliche Stärke. Hervorragender Musiker.

Lothar Trampert