© Carsten Herwig

Triosence

Arrangement und Freiheit

Vor 20 Jahren standen die Sterne wohl gut, als Bernhard Schüler beschloss, seinen Traum von einem eigenen Klaviertrio zu verwirklichen. Das neueste Album, Scorpio Rising, ist damit in gewisser Weise ein Jubiläumsalbum des Klaviertrios Triosence, das sich mit seinem Sound bereits von Anfang an von der Masse der Klaviertrios absetzte.

Von Thomas Bugert

Der Wettbewerb „Jugend jazzt“ veränderte 1998 nachhaltig Schülers Leben. Bis dahin hatte er vor allem Jazzerfahrungen mit dem Saxofon in verschiedenen Bands gemacht. Den Wettbewerb nahm er zum Anlass, seinen lange gehegten Wunsch nach einem eigenen Klaviertrio umzusetzen. Dieses schaffte es auf Anhieb bis zum Bundeswettbewerb und gewann dort eine erste CD-Produktion. Auch wenn der Debüt-CD in Deutschland nicht viel Beachtung geschenkt wurde, war sie doch die Initialzündung für das Trio. In Japan dagegen wurde die CD positiv aufgenommen, und über den dortigen Erfolg wurden auch deutsche Medien auf die neue Formation aufmerksam. Über eine USA-Tour entstand ein Kontakt nach Taiwan, wo Triosence 2011 zum 100-jährigen Jubiläum des Inselstaates mit hiesigen Popstars spielte. Dort lernte Schüler von einem Pop-Produzenten eins der vielleicht wichtigsten Dinge, die eine erfolgreiche Band ausmachen: sich musikalisch auf das Wesentliche zu konzentrieren. Gerade im zeitgenössischen Jazzkontext, der oft von komplexen Ideen übersprudelt, ist das eine nicht selbstverständliche Tatsache.

Auch auf Scorpio Rising ist diese Konzentration auf das Wesentliche zu hören. Die Basis zu allen Songs bilden persönliche Erfahrungen, die Bernhard Schüler in den vergangenen Jahren gemacht hat. Diese können musikalischer Art sein, wie bei „Arabian Princess“, wo Schülers Erfahrungen mit arabischer Musik einfließen. Bei „Seu Dito“ ist es hingegen die Erinnerung an Senhor Benedito, einen stolzen Parkhausbesitzer, der mit seiner Familie auf dem Dach seines Parkhauses in der Nähe von Rio de Janeiro wohnt.

Das Cover von Scorpio Rising zeigt eine Frau, die auf einen Sternenhimmel zuläuft. Dieses Firmament oder genauer die Astrologie, ist auch die Klammer, die das Album zusammenhält. Nicht nur der Albumtitel, sondern auch viele Songtitel haben einen Bezug zu dem Thema, mit dem sich Schüler seit mehreren Jahren beschäftigt, wie er erzählt: „Ich habe eine Faszination dafür entwickelt. Es ist ein weites metaphorisches Feld, das ich passend für die Musik finde. In Musik kann man auch sehr viel hineininterpretieren. Hier geht es ja auch darum, Gefühle und nicht greifbare Dinge auszudrücken.“

Gemeinsam mit Schüler erkunden Omar Rodriguez Calvo am Kontrabass und Tobias Schulte an Schlagzeug und Percussion dieses Feld. Ausgangspunkt für die Erkundungen sind immer Melodien und Hooklines, die im Ohr bleiben. Trotzdem sind die Stücke weit davon entfernt, seicht oder beliebig zu sein. Wie auch bei Erkundungen von neuen Gegenden und Städten gibt es einige Überraschungen an Abzweigungen. Exemplarisch steht hier der Titelsong mit seiner hymnenartig aufsteigenden Melodie über einem vorwärtstreibenden Groove, der sich weiterentwickelt und wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt, um sich abermals weiterzuentwickeln. Das alles klingt bei Triosence jedoch keineswegs konstruiert. Die Kunst dieser Musik besteht darin, dass Neues nicht als Bruch empfunden wird, sondern als logische Fortsetzung. In gewisser Weise steht Triosence damit in der Tradition des Ahmad Jamal Trios, das komplexe Arrangements spielte, die einfach und logisch klangen. Trotz dieser Gemeinsamkeit ist der Sound der beiden Trios aber in keinster Weise vergleichbar. So ist Scorpio Rising nicht nur wegen der Grooves moderner. Auch mit den Klangfarben, die die rein akustische Besetzung ihren Instrumenten entlockt, hat das Trio eine eigene Handschrift entwickelt.

Neben dem Fokus auf klare Arrangements der Songs ist die Interaktion der Musiker ein zentraler Aspekt des Triospiels. Auch wenn alle Kompositionen von Bernhard Schüler stammen, bilden sie nur einen Ausgangspunkt für die musikalische Reise: „Es ist im Trio wichtig, dass alle Ideen hineinbringen und sich ausdrücken. Dann hat jeder mehr Spaß und es entstehen auch viel mehr Dinge.“

Das Klaviertrio im Jazz wird oft verglichen mit dem Streichquartett in der Klassik. Es bildet eine der reduziertesten Besetzungen, in denen Musik erforscht werden kann. Genau wie bei den Streichquartetten gibt es auch an Jazz-Klaviertrios eine beachtliche Fülle, die nicht immer einfach auseinandergehalten werden kann. Triosence hat es geschafft, eine abwechslungsreiche, eigene Handschrift zu entwickeln und eingängige Musik zu spielen, die im Ohr hängen bleibt und trotzdem voller Überraschungen ist. Die Essenz des Klaviertrios ist vielleicht das Verschmelzen der Instrumente zu einem gemeinsamen Klangkörper, der über durchdachte Arrangements zusammengefasst wird und trotzdem Raum für die individuellen Musikerpersönlichkeiten lässt.

Aktuelle CD:

Triosence: Scorpio Rising (Okeh / Sony Music)