FAV Jan Lars Emile © Markus Fägersten

Ystad Sweden Jazz Festival

Ystad

Stipendiater © Markus Fägersten

Stipendiater © Markus Fägersten

Stipendiater © Markus Fägersten

Von Frithjof Strauß. Sommerstädte im Jazz kennt man aus dem Kino. Die Musik verschmilzt mit den Bildern vom sonnigen Ambiente und von glücklichen Bewohnern. Was wäre Jazz on a Summer’s Day ohne Newport, was wären Les Demoiselles de Rochefort ohne Rochefort? Jazzsound ohne die volle Euphorie des Gesamterlebnisses. Gleiches galt digital im Coronasommer für Ystads Festival. In der Risikozone Schweden durften maximal 50 Gäste in die Konzertsäle. Die Ystädter mit der staatlichen Musikproduktionsinstitution Musik i Syd als Sicherheitsnetz passten das Event den Restriktionen an, statt es ausfallen zu lassen.

Die Zahl der Konzerte wurde runtergekocht. Statt Weltstars kamen Acts aus Schweden und Kopenhagen. Zehn Konzerte wurden live gestreamt und stehen auf YouTube. An physischen Besuchern zählte man 900 statt der üblichen bis zu 10.000, Gratiskonzerte für Kinder, Newcomer und Altenheime (vor den Balkonen) mitgerechnet. 15 jüngere, ausgewählte schwedische Jazzer*innen bekamen je 10.000 Kronen überreicht. Einfach so 1000 Euro auf die Hand – schwedisches Wohlfahrtsethos in der Krisenzeit.

Zunächst das Modernere: Gitarrist Chico Lindvalls Band versprühte Fusion-Jazz mit rasanten Melodie-Ideen. Ebenfalls aus Malmö kamen Post-sun-vision, ein Trio um die Pianistin Alice Hernqvist. Die auf Motivkernwiederholungen aufbauenden Stücke erinnern an Post-Rock-Ästhetik und sind trotz Abstraktion gut zugänglich. Die Band von Joakim Milder, Per „Texas“ Johansson und Fredrik Ljungkvist mit ihren Coltrane-Saxofonen spielte Post-Bop mal subtil, mal straight ahead.

Vor allem klingt Ystad traditionell – wie in den Tribute-Konzerten für Charlie Parker, Lars Gullin und für Komponistinnen der Jazzgeschichte von Lil Hardin bis Peggy Lee. Festivalleiter Jan Lundgren spielte melancholisch mit Émile Parisien und fröhlich mit Scott Hamilton. Mit diesem hatte er dänische und schwedische Evergreens gewählt. Die Nostalgie dieser Stücke entsteht, wenn sie auf außermusikalische Erinnerungen in den Köpfen des Publikums trifft. Darauf hat die Digitalisierung keinen Einfluss. Als zum Schluss Bent Fabricius Hit „Alley Cat“ erklang, musste ich schmunzeln, denn ich kannte das Lied auf Deutsch von Siw Malmkvist: „Schwarzer Kater Stanislaus / Schnurre-Di-Burri-Di-Bum / War der Schreck im ganzen Haus / Schnurre-Di-Burri-Di-Bum.“

Lustige Unterhaltung gab es auch im Konzert von Nils Landgren. Der Gitarrist Johan Norberg erzählte aus den stilsicheren 80ern, als er frisch ausgebildet davon träumte, mit Nisse Landgren zu spielen. Einmal sollte dieser im Stockholmer Promi-Nachtclub Alexandra auftreten, wo sich sonst König Carl Gustaf, die Abbas und Björn Borg die Klinke in die Hand gaben. Erwartungsvoll stand Norberg im Publikum. Neben ihm sprachen zwei Mädchen mit mächtigen Föhnfrisuren ganz erregt über Nisse. Dann begann die Show, die Band pumpte los, und in einer Bewegung, die einem Purzelbaum ähnelte, enterte selbiger die Bühne. Das hatte er von James Brown. Er ergriff das Mikro, und man sah, dass er einen Lederanzug ohne Hemd darunter trug: „Hallo alle zusammen, ich heiße Nisse Landgren und komme aus Degerfors.“ Da sagte das eine Mädchen zu ihrer Freundin: „Au Scheiße, hoffentlich kommt nicht die ganze Band aus Degerfors.“

Sisters Of Jazz © Harri Paavolainen