3 Tage Jazz

Saalfelden

© Michael Geiáler

Von Reiner Schwing. Sich neben dem international beachteten Großereignis noch einen winterlichen Ableger zu leisten – quantitativ zwar deutlich bescheidener, vom Qualitätsanspruch aber auf dem demselben hohen Niveau –, dürfte unter den bedeutenden europäischen Jazzfestivals wohl ein Alleinstellungsmerkmal sein. In Saalfelden leistet man sich diesen Luxus seit 2016, und so fanden die „3 Tage Jazz“ nun bereits zum sechsten Mal (in den letzten beiden Jahren hatte man coronabedingt passen müssen) ihr Publikum.

Gerade mal acht Programmpunkte an zwei Spielstätten zwingen dazu, besonders sorgfältig zu programmieren, und dem Team um Intendant Mario Steidl ist dies 2023 mit einer Ausnahme auch eindrucksvoll gelungen. „Bass Viking“ Per Mathisen hatte sich mit drei Österreichern – Gerald Preinfalk (as), Fabian Rucker (ts, bars) sowie Herbert Pirker (dr) – ein Saxophone Inferno genanntes Quartett zusammengestellt. Infernalisch war’s kaum, dafür hochdynamischer, virtuoser Gegenwartsjazz – eine Art fernes europäisches Echo von Jack DeJohnettes unvergessener Special Edition.

Bei Louis Sclavis kann man sich die rhetorische Frage stellen, ob ihm jemals die Ideen ausgehen werden. Les Cadences du Monde heißt die jüngste Inkarnation seiner stilübergreifenden Verbindung von kammermusikalischer Ästhetik und expressivem Improvisationsfluss – die Instrumentierung mit zwei Cellisten und einem Perkussionisten ist allemal ein Novum. Alles andere als neu war dagegen der uninspirierte Spiritual-Jazz-Aufguss, den der kanadische Schlagzeuger Franklin Kiermyer mit seinem Quartett Scatter the Atoms That Remain bot: hochtouriger Leerlauf, der 60 Jahre zu spät kommt, und einziger Wermutstropfen im ansonsten hervorragend gemixten Saalfelden-Cocktail.

Wie man hohe Intensität mit höchster Sensibilität für klangliche Details verbindet, führte Barry Guy im Duo mit der katalanischen Piano-Entdeckung Jordina Millà vor. Von ihr würde man ebenso gerne mehr hören wie von Spinifex, einem Sextett, in dem nicht nur fünf Nationalitäten, sondern auch rockige Wucht, krumme Balkanmetren und furioses Gebläse zu einer wunderbar stimmigen Mischung zusammenfinden. Hildegard lernt fliegen hat den umwerfenden Spielwitz früherer Jahre zwar inzwischen zumindest teilweise in konventionelleren Songstrukturen gebändigt. Leader Andreas Schaerer machte dennoch Appetit auf mehr: Im Sommer wird der Schweizer Stimmbandvirtuose als einer von zwei Artists in Residence gleich mehrere Exklusivprojekte in Saalfelden verwirklichen.