Alune Wade

Auf seine eigene Art

Alune Wade, Bassist, Autor, Komponist, Interpret mit beeindruckender Stimme, ist ein großes Talent. Nun erscheint mit Sultan das fünfte Soloalbum des aus Senegal stammenden und in Paris lebenden Künstlers, der u.a. mit University of Gnawa, Ismaël Lô, Fatoumata Diawara, Gregory Porter, Deep Forest, Youssou NDour, Bobby McFerrin und Naïssam Jalal zusammengearbeitet hat.

Von Martina Zimmermann

Ein Cover mit Alune Wade im weißen Kaftan, mit einem gelben, kunstvoll um den Kopf drapierten Tuch, dem Schesch, in einem maurischen Palast – willkommen beim Sultan! „Der Sultan reist“, sagt er. „Ich weiß nicht, ob ich sagen soll, auf der Suche nach Liebe oder um die Herzen zu erobern. Sagen wir: Er verteilt Liebe.“ Liebe in Form von Musik: Afrikanisch-orientalische Farben und Sinneseindrücke vermischen sich mit HipHop, Jazz, Rock und Rhythmen zwischen Maghreb, Äthiopien und Senegal, wo Alune Wade in Dakar geboren wurde.

Der Vater war Chefdirigent des Orchesters der Armee. Die Mutter war wenig begeistert, als der junge Alune Bassist werden wollte: „Sie hatte die Gitarre in einem Gitarrenkoffer unter ihrem Bett versteckt“, so der heute 45-Jährige, „aber eines Tages habe ich sie herausgeholt und nur den Koffer dort gelassen.“ Er versteckte sein Instrument im Flügel, der im Haus stand: „In der Nacht, wenn Mama schlafen ging, holte ich sie leise heraus und übte bis fünf oder sechs Uhr morgens, dann versteckte ich sie wieder.“ Das fand die Mutter heraus und war daraufhin so sauer, dass sie versuchte, mit ihrem Brotmesser die Saiten zu durchtrennen. Geschafft hat sie es nicht. „Hätte sie die Saiten kaputtgekriegt, wäre das vielleicht das Ende meiner Liebe zur Musik gewesen.“ Ein herber Verlust dazu, heute schaut Alune Wade auf eine reiche Karriere als Sideman zurück, er tourte ab seinem 18. Lebensjahr mit Ismaël Lô durch die Welt, spielte mit den oben Erwähnten und vielen anderen. Auch auf dem neuen, seinem fünften Album findet sich eine Crème von Musikern. Es wurde in Paris, New York und Dakar aufgenommen.

Nach Jahrzehnten mit Ismaël Lô ließ sich der Bassist 2005 in Paris nieder, gehörte nun auch zur Band von Joe Zawinul, der einer seiner wichtigsten Lehrmeister wurde. Zawinul war zwei Jahre zuvor auf den talentierten Bassisten aufmerksam geworden, als er mit Ismaël Lô auf demselben Festival südlich von Toulouse auftrat und sich Wades Adresse geben ließ. „Auf österreichische Art sprach er das E am Schluss aus“, schmunzelt Alune Wade heute.

Aus einem gemeinsamen Auftritt wurde zunächst nichts, ein Mitglied mit senegalesischem Pass war für den weitreisenden Jazzmusiker auf die Schnelle keine Option. Eine Aufenthaltserlaubnis für Frankreich wäre da praktischer gewesen. Alune brachte Zawinul dann sein erstes Album Mbolo in die Loge dessen Pariser Hotels. Bereits ein paar Monate später spielte Wade auf Zawinuls Birdline-Festival in Wien, im Jahr darauf mit Zawinul selbst. „Es gibt Genies, die Talente fabrizieren“, analysiert Wade. „Miles war so, Coltrane wurde zu dem, was er war, nachdem er mit Miles gespielt hatte. Und Joe war genauso.“

Zur gleichen Zeit begann Alune Wade seine Solokarriere: „Ich wollte nicht die gleiche Musik wie meine afrikanischen Vorgänger machen und auch nicht nach Weather Report klingen“, erzählt der Künstler, dessen Name-Dropping inzwischen kein Ende nimmt: „Dabei half es mir, Künstlern wie Aziz Sahmaoui, Cheikh Tidiane Seck, Oumou Sangare, Paco Sery und Marcus Miller zu begegnen. Das war mein Glück. Ich habe von Anfang an akzeptiert, hinzuzulernen und den anderen zuzuhören, heimzugehen und dann alles auf meine Art zu machen.“

Das Ergebnis kann sich hören lassen. Alune Wade erzählt Geschichten von der Königin Saba und von afrikanischen Zivilisationen. Mit der mauretanischen Sängerin Noura Mint Seymali malt er ein musikalisches „Porträt einer Maurin“, mit dem tunesischen Sänger Mounir Troudi gedenkt er seiner Eltern, die im vergangenen Jahr beide verstorben sind. Mit dem senegalesischen Rapper PPS The Writah schlägt er eine Brücke nach Äthiopien, mit dem Kubaner Harold López-Nussa und dem Amerikaner Christian Sands am Klavier feiert er das Leben.

In „Dalaka“, auf dem Alune Wade selbst auf Mandingo singt, geht es um offene Türen: „Das ist eine Art, den Menschen zu sagen, sie sollen die Grenzen öffnen. Europa, Frankreich, der Westen, alle haben sie die Tendenz, die Grenzen nur für Rohstoffe aus Afrika zu öffnen, aber den menschlichen Reichtum wollen sie nicht, die afrikanische Jugend. Die Menschen sterben in der Wüste und dürfen nicht kommen.“ Im Song heißt es: „Man kann nicht das Huhn lieben ohne seine Küken. Man darf nicht das Land eines Volkes mögen, aber nicht das Volk.“ Alune Wades Album Sultan zeigt den musikalischen Reichtum Afrikas und der Diaspora – auf eine unverkennbare persönliche Art und Weise. Ab September ist Wade mit seiner Band auch in Deutschland auf Tournee.

Aktuelles Album:

Alune Wade: Sultan (enja / Yellowbird / Edel:Kultur)