Jazzfest

Bonn

Tigran Hamasyan © Thomas Kölsch

Von Thomas Kölsch. Aus Sicht des Jazzfests Bonn dürfte die Corona-Pandemie endgültig überwunden sein. Angesichts voller Konzertsäle und eines euphorischen Publikums scheint das Festival am Rhein seinen Erfolgskurs aus der Zeit vor dem Virus fortzusetzen – nicht zuletzt weil es dem künstlerischen Leiter Peter Materna wieder gelungen ist, ein spannendes und vielseitiges Programm auf die Beine zu stellen, mit Legenden und etablierten Kräften, aber auch mit der ein oder anderen Überraschung.

Zu letzteren zählte zweifelsohne die spanische Sängerin und Trompeterin Andrea Motis, die auf der Spielwiese des Jazz mit einer wunderbaren Unbefangenheit herumtollt und sich die Welt der Musik eben so macht, wie sie ihr gefällt. Ihr Stil ist unkonventionell, eigenwillig, einzigartig, eine Melange aus Soul, Funk, Pop, Latin und Alternative Rock, die mal Melodiebögen ganz knapp aneinander vorbeischrammeln lässt und dann wieder einen vollen orchestralen Sound erschafft, der das Mitsingen geradezu einfordert. Das Publikum im Pantheon war vom Auftritt der jungen Spanierin auf jeden Fall euphorisiert, fast noch mehr als am Abend zuvor von Newcomerin Alma Naidu mit ihrer prägnanten Stimme und natürlich von Mike Stern und Bill Evans. Die beiden Superstars, die mit Gary Grainger (b) und Dennis Chambers (dr) zwei herausragende Veteranen an ihrer Seite wussten, stürzten sich mit enormer Spielfreude in ein Solo nach dem anderen, sich in diesem wilden Ritt blind verstehend und aufeinander verlassend, ob es nun um komplexe Stücke wie „Chromazone“ ging oder um lyrische wie Brooks Ritters düsteres „Bones from the Ground“.

Maria Joao © Thomas Kölsch

Höhepunkte lieferte das Jazzfest am laufenden Band, auch weil es immer wieder für spannende Begegnungen sorgte. So trafen Heidi Bayer und Sebastian Scobel im Beethovenhaus auf Aki Takase und Daniel Erdmann, Stimmkünstlerin Maria João im Post Tower auf den Tastenvirtuosen Tigran Hamasyan und die charismatische Olivia Trummer, die sich mit Kurt Rosenwinkel und Fabrizio Bosso zwei kongeniale Kollegen als Gäste eingeladen hatte, auf das Matthieu Mazué Trio mit seinen schrägen Verschiebungen und der unglaublichen Spannung. Letzteres war zweifelsfrei eine weitere Entdeckung, und das bereits zum wiederholten Mal. Immerhin hatten die jungen Musiker im vergangenen Jahr schon die Jury des JazzBeet-Wettbewerbs begeistert, den das Jazzfest Bonn anlässlich des Beethovenjubiläums 2020 ins Leben gerufen hatte, und damit den Auftritt im LVR Landesmuseum gewonnen – jetzt überzeugten sie auch das Publikum. Eine bemerkenswerte Leistung angesichts der Komplexität ihrer Stücke, in denen sie zumindest scheinbar gemeinsamen Melodien, Harmonien und Rhythmen den Kampf ansagen und doch unter den Trümmern zerstörter Erwartungen mit einigen großen Bögen aufwarten können.

Andere Künstler mussten niemanden mehr überzeugen. Rolf Kühn zum Beispiel, der ohnehin über jeden Zweifel erhaben ist und als einziger Musiker ein Einzelkonzert bestritt; oder Michael Wollny, dessen Trio mit dem Eos Chamber Orchestra und dem Niels Klein Trio das Festival eröffnete. Und dann wäre da noch die Jazzrausch Bigband, die seit ihrem Jazzfest-Debüt vor drei Jahren gewissermaßen zu dessen Stamm-Formation aufgestiegen ist und mit ihrem wilden Rave 80-jährige Senioren ebenso in ihren Bann zieht wie 16-jährige Teenager, die einfach nur feiern wollen. Dem hat Peter Materna denn auch Rechnung getragen: Statt in der Oper spielten die Münchner erstmals im unbestuhlten Telekom Forum und sorgten dort für ein euphorisches Finale.