Cayin

Zwei Chinesen für ein fettes Halleluja

CS-55A

Manchmal reicht ein einziges Adjektiv zur Produkt- und Klangbeschreibung. Hier und an dieser Stelle ist „saftig“ das ergebnisorientierte Kondensat aus der wochenlangen kritischen Hörbeschäftigung mit dem Verstärker Cayin CS-55A im Zusammenspiel mit dem CD-Player CS-55CD.

CS-55CD

Von Peter Steinfadt

Wem diese Beschreibung ausreichen sollte, der möge gerne im Heft weiterblättern. Schon okay. Etwas mehr Fleisch auf das HiFi-Skelett gibt’s in den folgenden Zeilen. Die 2 x 40 Watt des chinesischen Röhrenvollverstärkers in klassischer Class-AB-Schaltung erlauben eine große Wahl an möglichen Lautsprechern. Bestückt mit Röhren des Typs KT 88 (alternativ mit günstigeren EL 34) kann der 17 Kilo schwere Verstärker auch fakultativ mit einer Phonoplatine (MM) und/oder einer High-End-Sound-Karte mit Signalen bis zu 32 bit/384 kHz bestückt werden. Ganz individuell, je nach Bedarf und Musikstil, kann in der Ausgangsstufe zwischen Trioden- und Ultra-Linear-Betrieb umgeschaltet werden. Im Triodenmodus steigt der Ausgangswiderstand, und die Leistung sinkt um fast die Hälfte.

Klanglich wird das Musikgeschehen etwas weicher, feinziselierter in den Mitten sowie im Hochton und ist besonders angenehm bei z.B. klassischen Frauen-Jazzstimmen oder akustischer Musik. Wer die Nachbarn nicht ärgern will, entdeckt auf der massiven Alufront auch einen hochwertigen Kopfhörereingang, der im Alltagsbetrieb seine Aufgabe erstklassig meistert.

Kongenialer Spielpartner des komplett ausgestatteten Verstärkers ist der CD-Player CS-55CD aus gleichem Hause. Dieser besitzt in der Ausgangstufe eine 12AU7-Doppeltriode und kann qua Zusatzplatine mit einem USB-Anschluss ausgerüstet werden, die den Player auch zu einer externen PC/Mac-Soundkarte macht. Der große Trafo liefert hier potenten Strom, und der klasse Digital-Analog-Prozessor PCM-5101 von Burr-Brown ist Garant für hohe Sampling-Raten und Auflösungen. Ein durchdachtes, bewährtes Gerät, welches durch seine Zuverlässigkeit und niedrigste Jitterwerte besticht.

Da hört man schon zweifelnde Zwischenrufe aus der Leserschaft: „Wie jetzt, heutzutage noch einen teuren CD-Player kaufen?“ Nun, dies hat durchaus Sinn. Beispielsweise weil vermutlich alle bekannten Systeme zur Musikreproduktion – Vinyl, CD, Streaming etc. – auch zukünftig in friedlicher Koexistenz nebeneinander bestehen werden, die meisten Musikliebhaber vermutlich noch eine mittelgroße CD-Sammlung besitzen und – für den Autor das ausschlaggebende Argument – Neuerscheinungen auf Schallplatten mittlerweile Mondpreise erreicht haben, was wohl leider auch so bleiben wird. Wenn also irgendwo mal wieder eine ungehörte John-Coltrane-Aufnahme das Licht der Welt erblickt, kauft man dann die Platte für 30 Euro oder den Silberling zum halben Preis bei mindestens gleicher Klangqualität?

Lassen wir das schicke Cayin-Duo mal aufspielen. Die Pariserin Nina Attal ist gern gesehener Gast auf (Jazz-)Festivals. Insbesondere live zündet sie ein mitreißendes Feuerwerk aus funkigem Blues mit jazzig-psychedelischem Rock. Ihre neue Veröffentlichung nennt sich Pieces of Soul (Zamora, 2021). Höchst unterhaltsam spielt die 29-jährige hier lässige Grooves mit Fender-Rhodes-Tupfern, sägender Gitarre und sehr eigenständigem Bluesgesang. Treibende Sounds, wie gemacht für die beiden Cayins. Immer neutral, aber auch mit dem notwendigen Verve und Punch, dabei feinfühlig und gut auflösend, lädt die Musik aus der CD-Konserve zum kleinen Tänzchen auf dem Wohnzimmerteppich ein. Jedes Instrument steht da, wo es der Tonmeister hingestellt und abgemischt hat – ganz natürlich und selbstverständlich.

Synkretistisch (ich denke, das ist das richtige Wort hier) geht es auf dem Debütalbum der niederländischen Band Yin Yin zu. Dieses trägt den humorvollen Namen The Rabbit That Hunts Tigers (Bongo Joe, 2019) und schafft das schier Unmögliche: die Vermählung traditionell inspirierter chinesischer Musik mit dem Gitarren-Twang von Morricones Spaghetti-Western. Genau das Richtige, um gemütlich zu zweit in einem China-Restaurant zu sitzen, mit der üblichen musikalischen Hintergrundbesäuselung. Bestellt wurde, na klar und wie immer, die Nummer 80 „Acht Schätze“ (quasi die China-Variante des Mix-Grills) und nebenbei gibt’s einen klassischen Italo-Western auf dem überdimensionierten TV-Empfänger. Irgendwie so. Was absurd klingen mag, überzeugt vollends und ist weit mehr als ein Spaß. Das hat eine hohe musikalische Evidenz und ist Kunst! Auch hier zeigt die Elektro-Kombo ihre Stärken. Mit einem Schuss Wärme und sehr guter Dynamik, dabei stets kontrolliert, stehen die niederländischen Jungs im Raum und unterhalten bestens.

Für wen sind die Cayin-Produkte also das passende Werkzeug zur Musikreproduktion? Ganz einfach: für Musikliebhaber, denen es neben der Erfüllung des üblichen HiFi-Pflichtenhefts wichtig ist, dass eine Anlage auch Emotionen transportieren kann. Cayin liefert viel Bauch, ohne den Kopf zu vernachlässigen. Kommt fett. Der Verstärker CS-55A kostet je nach Ausstattung zwischen 2098 und 2348 Euro, der Röhren-CD-Player CS-55CD ohne D/A-Wandler 1348 Euro.

Website:

www.cayin.de